Samstag, Januar 09, 2016

Vermischtes vom 9. Januar 2016

Ich hoffe, es gibt nicht allzu viele Genderama-Leser, die das Thema "Verbrechen der Silvesternacht" nicht mehr hören können. Heute geht es nämlich ausschließlich darum, und wir haben mit dieser Debatte auch mehr als genug zu tun.



1. "Grünen-Vize: Alle Männer sind potentielle Vergewaltiger" titelt das Hamburger Abendblatt anlässlich eines Statements des stellvertretenden Hamburger Grünen-Vorsitzenden Michael Gwosdz. Dieser schob nach, mit seinem sexistischen Spruch die tatsächlich erfolgten Verbrechen der Silvesternacht keineswegs relativieren zu wollen.

Zu dieser Steilvorlage gibt es einen Comic von Erzählmirnix.



2. Eine befremdliche Äußerung des Publizisten Jakob Augstein sorgte gestern vielfach für Fassungslosigkeit. Einerseits gibt Augstein mit dem "Freitag" ein stramm feministisches Blatt heraus und müsste sich damit eigentlich entschieden gegen sexuelle Übergriffe positionieren. In der Debatte um die sexuelle Gewalt in der Kölner Silvesternacht kommentierte Augstein jedoch spöttisch: "Ein paar grapschende Ausländer und schon reißt bei uns der Firnis der Zivilisation". Spontan geht es mir hier wie einem Autor des Tagesspiegel, der findet, dazu fallen einem "nur noch Sachen ein, die zackbumm vor Gericht landen würden". Marc Drewello hingegen kommentiert ausführlicher für den STERN:

Schon die Bezeichnung "grässlich" für die Exzesse vor dem Hauptbahnhof ist Augstein zu hart. "Das klang so, als seien dort Frauen verspeist, nicht beraubt und sexuell bedrängt worden", kritisiert er eine entsprechende Äußerung von Grünen-Chef Cem Özdemir. Was für eine dreiste Verharmlosung. Mit dem Herunterspielen der Übergriffe verhöhnt Augstein die Opfer: Grässlich? Nein. Da waren ja nur ein paar grapschende Ausländer. Was mag die 23-jährige Düsseldorferin Maria von solchen Aussagen halten? "Die waren mit ihren Händen überall. Ich hatte Finger an allen Körperöffnungen. Ich habe die ganze Zeit nur geschrien", schilderte sie der "Bild"-Zeitung ihre Erlebnisse am Kölner Hauptbahnhof. Oder die 25-jährige Anne F., die das Gleiche in Hamburg erlebte: "Die Männer waren so grob. Sie zerrissen erst meine Strumpfhose und dann meinen Slip. Ich hatte solche Angst und war so hilflos", sagte sie der "Hamburger Morgenpost".


Begeistert zeigt sich Augstein hingegen von einem Spiegel-Online-Artikel, in dem die radikale Feministin Margarete Stokowski sich das Entsetzen vieler deutscher Männer über die Übergriffe in der Silvesternacht nur so erklären kann:

Die eigenen Frauen will der gute Deutsche immer noch selbst belästigen dürfen. Und er ist fleißig dabei.


Man kann "hate speech" als Feministin natürlich auch mutwillig herbeiführen, indem man immer mal wieder Sätze raushaut, die schlicht unterirdisch sind. Vielleicht ist die These der "Revierverteidigung für sexuelle Belästigung" aber auch der einzige Ausweg, der einer Feministin noch bleibt, wenn sie das allgemeine Entsetzen über die Übergriffe in Köln noch irgendwie mit ihrem Glauben an eine "Rape Culture" vereinigen will, in der sexuelle Übergriffe den Menschen egal sind.

Als einheimischer Mann hat man in dieser Irrsinns-Logik keine Chance. Schweigt man zu den Übergriffen, beteiligt man sich dran, sexuelle Gewalt unsichtbar zu machen. Empört man sich darüber, zeigt man, dass man nur sein Revier für eigene Übergriffigkeiten schützen möchte. Der nicht-zugewanderte Mann wird als im Kern bösartig schlicht vorausgesetzt.

Zu diesem Missverhältnis äußert sich auch das Portal "Meedia" mit dem Artikel Drei besonders ärgerliche Medien-Beiträge zu den Köln-Krawallen sowie das Berlin Journal, das in seiner Würdigung von Stokowskis Artikel das Fazit zieht:

Wer vorher wusste, woher Angela Merkel uns die Zuwanderer ins Land holt und was das für Folgen haben kann, der sieht sich nun darin bestätigt. Und wer schon vorher eine linke Feministin war wie Margarete Stokowski, dem geht es auch nach Köln niemals um die Frauen. Auch nach Köln kennt eine linke Feministin nur ein Ziel: weiße Männer angreifen.




3. Stimmt die von Anne Wizorek und anderen Feministinnen kolportierte Behauptung, es komme schließlich auch beim Oktoberfest zu 10 angezeigten und mit Dunkelziffer zu insgesamt 200 Vergewaltigungen? Rainer Meyer ("Don Alphonso") berichtet über seine Erkenntnisse in der Frankfurter Allgemeinen. Der Artikel trägt die Überschrift Lügenzahl vom Oktoberfest. Ein Auszug:

Nein, sagt Schicht, das könne er wirklich ausschließen, die Zahlen zehn und zweihundert seien definitiv falsch. Allerdings sind sie zu diesem Zeitpunkt schon weit über das Netz hinaus verbreitet worden: Die Berliner Feministin Anne Wizorek saß am Vortag im Morgenmagazin der ZDF und wurde, nachdem der Sender schon Fehler bei der Berichterstattung zu Köln einräumen musste, von Moderator Mitri Sirin gebeten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Obwohl im Netz längst mit den öffentlich verfügbaren Zahlen der Polizei diskutiert wurde, betonte Wizorek, dass sie Sexismus und sexualisierte Gewalt als gesamtgesellschaftliches Phänomen betrachte. Und sagte dann, dass es jedes Jahr auf dem Oktoberfest zehn angezeigte Vergewaltigungen gäbe, und eine Dunkelziffer von zweihundert Vergewaltigungen. Keine schlechte Beschwichtigungsleistung für den Kölner Exzess im ZDF. Allerdings ist der Sender nicht allein betroffen: Wizorek setzte ihre Zahlen in Interviews mit dem "Kölner Stadtanzeiger" und der "Frankfurter Rundschau" in die Welt, und schreibt es selbst im Internetmagazin "Vice".


Auch die "Tagesschau"-Redakteurin Anna-Mareike Krause wird von Meyer dafür kritisiert, ähnlich fahrlässig zu arbeiten.



4. Die 56jährige Leverkusenerin Regina Schleheck war Silvester am Kölner Hauptbahnhof. Ihre eigenen Erfahrungen stützen die Geschichte einer Masse von zahllosen Männern, die die Sexualverbrecher unterstützt hätten, nicht. Auf Facebook berichtet Schleheck am 4. Januar, sie habe eine massenweise erfolgte Übergriffigkeit von Männern nicht erlebt:

Alle Menschen um mich herum haben sich außerordentlich ruhig, geduldig und sehr achtsam verhalten. Ich habe immerhin Stunden dort zugebracht und keinen einzigen Übergriff beobachten können. Die Männer um mich herum - und das waren sehr, sehr viele -, haben sich sehr bemüht, mir trotz des Gedränges nicht zu nahe zu kommen, mehr noch, sie haben mich mit den Armen abgeschirmt gegen die Leiber, die von allen Seiten herangeschoben wurden. Sie waren sehr freundlich, haben die Situation bedauert, versucht, sich mit Händen und Füßen zu vermitteln, sich bei mir erkundigt, wohin ich wollte, haben andere gefragt, die weiter oben standen, ob die Bahn, die ich brauchte, möglicherweise am Bahnsteig stehe oder angeschlagen sei, radebrechten, um mir zu erzählen, woher sie kämen und was sie hier machten, während sie die ganze Zeit Ruhe bewahrt haben. Ich habe selten derart freundliche und geduldige Landsgenossen erlebt. Hier rasten die Leute oft schon aus, wenn bei Aldi an der Kasse ein paar Menschen vor ihnen stehen. Anderswo ist man vermutlich ganz andere Dinge gewohnt.

Natürlich wird es die Ausschreitungen am Bahnhof gegeben haben. Aber ich vermute, das Ausmaß wird gerade mächtig aufgebläht, weil es in die vorherrschenden Ängste passt. Ich habe die Situation vollkommen anders erlebt.


Die Reaktion auf Schlehecks Bericht ist ein Shitstorm, der sich gewaschen hat. Näheres berichtet Schleheck in einem Interview mit dem Westdeutschen Rundfunk, das mit diesem Fazit schließt:

Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so einen Sturm auslöst. Es war eine völlig sachliche Beschreibung der Situation, die ich erlebt habe. Aber es hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, dass auch solche Dinge ergänzt werden, zu dem was andere Frauen sicherlich Schreckliches in dieser Nacht erlebt haben und was natürlich an die Öffentlichkeit gehört. Aber genauso gehört an die Öffentlichkeit, dass es viele Menschen gibt, die hier jetzt unter Pauschalverdacht geraten, die sich friedlich verhalten und völlig achtsam mit anderen umgehen.




5. Während ich in den letzten Tagen die Leitmedien gegen Vorwürfe der Vertuschung von unliebsamen Meldungen noch in Schutz nehmen konnte, gibt es an einer Stelle nun doch Anlass zu Besorgnis. In einer Polit-Talkshow des Senders "Phoenix", wo man über den "Silvesterskandal" diskutierte, machte der Kriminologe Christian Pfeiffer eine Anmerkung, die die Frankfurter Allgemeine aufgreift:

Eines wird sicher nicht mehr passieren: Dass Fernsehredakteure Interviewpartner in einem Vorgespräch vor der Sendung anweisen, sie sollten im Zusammenhang mit den Ereignissen in Köln nicht über Flüchtlinge reden. Ansonsten werde man das Interview abbrechen. So etwas sei an ihn in den letzten Tagen schon herangetragen worden, sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer am Donnerstagabend in der "Phoenix-Runde".




6. Der Rechtsanwalt und Blogger Thomas Stadler findet die öffentliche Debatte nach den Übergriffen an Silvester "verstörend":

Es sind einmal mehr auch vermeintlich seriöse Medien, die ihrer Aufgabe einer neutralen und an Fakten orientierten Berichterstattung nicht gerecht werden. Hinzu kommt eine öffentliche Debatte, die einen direkten Zusammenhang zur Flüchtlingsthematik herstellen will und deren Subtext eindeutig rassistisch ist. Kaum weniger populistisch ist es allerdings, die Vorgänge am Kölner Bahnhofsvorplatz als Aufhänger für die Forderung nach einer Verschärfung des Sexualstrafrechts zu benutzen.


Hier geht es weiter.



7. Die Frankfurter Allgemeine versucht, das schwierige Thema in einer Glosse mit der Überschrift Männer sind Schweine zu bewältigen.



8. Der "Spiegelfechter" stellt einen offenen Brief von Flüchtlingen zu den sexuellen Übergriffen vom Silvester online, der sich vor allem an die deutschen Frauen richtet.



9. Manche englischsprachige Websites stellen die Verbrechen von Köln noch immer auf sehr spezielle Weise dar:

On New Year’s Eve, over 1,000 Muslim migrants rang in the holiday by storming through the streets of Cologne, Germany — stealing, assaulting, and raping at least 100 young girls and women. Since the leftist leadership has ordered the mainstream media to keep quiet on the sordid details, victims have come forward to blow the whistle on what the government and police are hiding.

The lapdog media has admitted that German Chancellor Angela Merkel has forced local news outlets to censor reporting of crimes committed by Muslims in an effort to prevent backlash against her liberal agenda to bring in millions of Muslim refugees. Because of this, media giants including the BBC intentionally left out the word "Muslim," instead substituting with the purposefully vague description "Arab or North African appearance."


Auch hierzulande läuft die fremdenfeindliche Propagandamaschine auf Hochtouren, und die Website Mimikama, die fragwürdige Online-Gerüchte überprüft, veröffentlicht kontinuierlich Analysen solcher Falschdarstellungen. Gerne werden aufhetzende Fotos und Filme präsentiert, die angeblich vom Silvester in Köln stammen, tatsächlich aber vor Jahren in anderen Ländern und in ganz anderen Zusammenhängen entstanden sind. In einem besonders bizarren Fall wurde sogar behauptet, eine vergewaltigte Frau habe eine Vereinbarung der Stadt Köln unterzeichnen müssen, über ihre Erfahrungen zu schweigen. Beispiele für solche im Netz verbreiteten Lügen findet man hier, hier, hier, hier und hier.

Der Sache angemessener behandelt Maajid Nawaz auf dem linken Blog The Daily Beast das Thema. Ein Auszug:

Eventually, this was bound to happen. Recent mass migration patterns across Europe have meant that misogyny has finally come head to head with anti-racism, multiculturalism is facing off against feminism, and progressive values are wrestling with cultural tolerance.

Yes, it is racist to suspect that all brown men who look like me are rapists. It is bigoted to presume that all Muslim men who share my faith advocate religiously justified rape. It is xenophobic to assume that all male refugees are sexual predators awaiting their chance to rape. But let me be absolutely clear: What will feed this racism, bigotry, and xenophobia even more is deliberately failing to report the facts as they stand. Doing so only encourages the populist right’s rallying cry against “the establishment.”

If liberals do not address such issues swiftly, with complete candor and courage, the far-right and anti-Muslim populist groups will get there first. They have been doing so for a while now.

(...) German police unions and women’s right groups have recently accused authorities of underplaying cases of rape at refugee shelters. "There is a lot of glossing over going on. But this doesn’t represent reality," police union chief Rainer Wendt told Reuters. Henry Ove Berg, who was a police chief during Norway’s recent spike in rape cases, said, "people from some parts of the world have never seen a girl in a miniskirt, only in a burqa ... when they get to Norway, something happens in their heads." He added that "there was a link but not a very clear link" between the rape cases in Norway and immigrants. Hanne Kristin Rohde, former head of the violent crime section of the Oslo Police Department, was criticized in 2011 when she went public with data suggesting that immigrants committed a hugely disproportionate number of rapes. "This was a big problem ... but it was difficult to talk about," she remarked. There was "a clear statistical connection between sexual violence and male migrants." This is all controversial, but it must be said.

(...) Between denying the problem and using it to fuel bigoted far-right rhetoric, an approach grounded in data and a level head is vital. Any solution to this emerging issue must simultaneously seek to deny the far right the ammunition it desires while preserving — not reneging on — Europe’s hard-earned progressive social values.




10. Auch die liberale, männerfreundliche Feministin Christina Hoff Sommers hat sich inzwischen zu den Verbrechen von Köln geäußert.



11. Männliche Opfer der Ausschreitungen von Silvester kommen in den Medienberichten kaum bis gar nicht vor. Lediglich in einem Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin erwähnt ein Zeuge der Silvesternacht von Köln, dass einem am Boden liegenden "Menschen" gegen den Kopf getreten worden sei. Grundsätzlich scheinen aber nur Frauen Opfer der Verbrecher geworden zu sein.



12. Zu den feministischen Reaktionen auf die Verbrechen vom Silvester steht seit heute Morgen ein hervorragender Artikel von Lucas Schoppe online: Wie Anne Wizorek sexuelle Gewalt verharmlost. Er schließt mit der naheliegenden Frage: "Wie kommen solche inhumanen, irrationalen Positionen eigentlich beständig ins öffentlich-rechtliche Fernsehen?"

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