Mittwoch, März 14, 2012

Wolfgang Wenger: "Der linke Maskulismus ist eine Revolution"

Wolfgang Wenger ist neben Monika Ebeling der einzige, der es mit seinem Einsatz für Jungen und Männer zum Beispiel in den FOCUS und auf die Titelseite der BILD geschafft hat. Heute spricht er in einem Interview über die Chancen einer linken Politik für Männer und die Verwahrlosung der maskulistischen Internetforen.

Arne Hoffmann: Könntest du dich und deinen Hintergrund als Männerrechtler kurz vorstellen?

Wolfgang Wenger: Ich bin seit mehr als zehn Jahren aktiv in der Männerrechtsbewegung. Als Sozialarbeiter war es mir immer ein Anliegen, Jungen, Männer und Väter aktiv zu unterstützen. Momentan verschieben sich meine Beiträge von der politischen Arbeit auf die Sozialarbeit.

Die Unterstützung von Scheidungsvätern war zu Beginn eines meiner Hauptanliegen. Davon bin ich aber im Laufe der Jahre mehr und mehr weggekommen. Im Jahr 2005 begann ich mit dem Kampf gegen das damals drohende Verbot von Vaterschaftstests. Mit der Plattform
PRO-TEST knüpfte ich Kontakte zu Kuckucksvätern und –kindern. Eng arbeitete ich damals mit dem Väteraufbruch zusammen, der mit der Bitte einer Zusammenarbeit an mich herantrat. Pro-Test.net war ja keine Gruppierung oder ein Verein, und jeder konnte mitarbeiten und unterstützen, der im Kampf gegen das Verbot von Vaterschaftstests ein Anliegen sah. Das Thema ist für mich nach wie vor aktuell, auch wenn es – aufgrund des Kampfes – nicht zu einem Verbot kam. Trotzdem werden die Anliegen der Kuckucksväter und -kinder meiner Ansicht nach zu wenig berücksichtigt. Momentan arbeite ich im Kuckucksväterblog mit.

Mein Wunsch wäre es, wenn sich ein Verein gründen würde und wir mehr politisch tätig würden, im Sinne einer Lobbyarbeit. Hier müssten auch Kontakte zu bestehenden Männergruppen, die politisches Gewicht haben, aufgenommen werden, um "unsere" Anliegen besser vorbringen zu können. Das "unsere" ist in Anführungsstrichen, weil ich ja selbst kein Betroffener, aber doch ein sehr aktiv Unterstützender bin. Mein Schwergewicht würde ich dabei aber gerne auf Sozialarbeit und therapeutische Unterstützung legen.

Momentan arbeite ich auch noch an einer Nachrichtensendung – den Männernews – auf Youtube. Hier möchte ich Nachrichten aus allen Bereichen der Männerbewegung, nicht nur der Männerrechtsbewegung, ausstrahlen. Die Sendung läuft monatlich und ich muss erst noch abwarten, wie sie angenommen wird. Zu Beginn habe ich mir ein Jahr als Frist gesetzt. Nach diesem Jahr möchte ich dann sehen, ob die Sendung auf Zuspruch stößt und ob sich die Arbeit daran lohnt. Mitarbeiter konnten leider bis jetzt noch keine gefunden werden, außer zwei Jungen, die die Nachrichten lesen und sichtlich Spaß an der Sache haben. Das ist für mich auch immer eine Freude und macht die Arbeit an der Sendung angenehm – wenn man von dem Detail absieht, dass 80% der aufgenommenen Nachrichten nicht verwertet werden können, weil die beiden zu viel Unsinn machen ... (zwinkert) Allerdings müssen die Nachrichten auch nicht allzu seriös sein. Aktuell arbeite ich die beiden in eine Animationssoftware ein, mit der ich die Nachrichten spannender gestalten möchte. Da stoße ich bei zwei 13jährigen Jungen aber doch schnell an eine Grenze.

Wie oben erwähnt möchte ich meine politische Arbeit bei diesen zwei Themen belassen. Persönlich beschäftigt mich noch die Frage nach der Ausgestaltung eines modernen Maskulismus, vielleicht im Sinne eines dekonstruktivistischen Maskulismus, da mir einseitige und falsch verstanden altmodische Männerbilder ein Greuel, weil einengend sind. Mir geht es sehr darum, Männlichkeit und Jungenhaftigkeit in all seiner Vielfalt wahrzunehmen und zu akzeptieren und vor allem, diese Bilder positiv zu besetzen. Dies ist aber nicht nur eine politische Frage, sondern für mich zu allererst eine soziale. Mit meinem neugegründeten Verein junge(n)welten möchte ich in diesem Sinne Sozialarbeit für Jungen und Väter anbieten und fördern. Insbesondere soll das ein Angebot für Schulen und Kindertagesstätten sein, aber auch für andere soziale Träger und Jugendzentren, die in dieser Frage noch sehr starken Nachholbedarf haben. Lange Zeit wurde Jungenarbeit als weniger wichtig wahrgenommen, außer es wurde nach Hilfe bei verhaltensauffälligen Jungen gesucht oder nach einer Jungenarbeit, die gar nicht im Sinne hatte, die Jungen zu unterstützen, sondern eigentlich die Mädchen, die von den Jungen endlich in Ruhe gelassen werden sollten. Das aber ist doch wieder eigentlich Mädchenarbeit – nur eben mit Jungen – und keine Jungenarbeit.

Ähnliches gilt für die Väterarbeit, die schlicht vernachlässigt wurde, weil mit "Eltern" immer die Mütter verstanden wurden. Väter in ihrer Rolle als Vater zu unterstützen ist aber wesentlich, um auch die Kinder beiderlei Geschlechts zu fördern. Dies gilt für alle Arten von Vätern: leibliche, soziale, Stiefväter, geschiedene, Trennungsväter, Kuckucksväter und so weiter.

Arne Hoffmann: Du bist gerade dabei, ein Manifest für den linken Flügel der Männerrechtsbewegung zu erstellen. Was sind für dich Aspekte, die eine linke Männerrechtsbewegung ausmachen?

Wolfgang Wenger: Männer definieren sich viel zu häufig von der Frauenseite her. Das finde ich sehr schade und ist das Gegenteil einer selbstbewussten Männlichkeit. Deshalb kann ich weder mit pro-feministischer noch mit anti-feministischer Männerbewegung etwas anfangen.

Wir sollten uns eigenständig und auf Augenhöhe sehen: mit gleichen Rechten und mit gleichen Pflichten. Wir sind nicht die Diener von Frauen und sie sind nicht unsere. Dies bedeutet gegenseitigen Respekt. Gegenseitiger Respekt bedeutet aber auch, dass von den Frauen erwartet, ja verlangt werden muss, dass sie ihren Teil an den gesellschaftlichen Aufgaben erfüllen, ohne zu erwarten, von Männer protegiert zu werden. Ich erwarte von den Männern, dass sie selbstbewusst die gesellschaftlichen Bereiche erobern, in denen sie noch hinter den Frauen zurückliegen. Ich erwarte dies umgekehrt auch von den Frauen. Alles andere wirkt einer gegenseitigen Anerkennung entgegen.

Ein linker Maskulismus hätte die Aufgabe, in dieser gegenseitigen Anerkennung Männerinteressen zu vertreten und den Benachteiligungen entgegenzuwirken. Er könnte durchaus den Feminismus als Gegenüber erkennen, wenn dieser aufhören würde, Männer als Gegner und Feinde zu sehen und sich selbst aufzuwerten, indem er Männer abwertet.

Arne Hoffmann: Die Männerrechtsbewegung wird vielfach noch als unisono rechte Bewegung wahrgenommen, was auch an den Inhalten von Foren wie "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" liegt. Deren Betreiber argumentieren, man lasse dort vor allem deshalb Stimmen vom rechten Rand des politischen Spektrums zu Wort kommen, weil man entschieden für die Meinungsfreiheit und gegen Zensur eintrete. Warum gibt dann jemand wie du, der eher links bis Mitte positioniert ist, den Rechtsradikalen dort nicht einfach kontra?

Wolfgang Wenger: Ich schrieb sehr lange in diesem Forum – war dort sogar einer der Hauptschreiber, wenn nicht gar der mit den meisten Postings. Bis ich schließlich – ohne dass jemals ein Posting von mir von der Leitung kritisiert oder gar gelöscht worden wäre – plötzlich gesperrt wurde, weil ich mit einem anonymen (und bis dahin unbekannten) Poster aneinander geriet, der Homosexualität als "schwere psychische Erkrankung" titulierte. Mit der Sperrung war mir klar, in welche Richtung die Forumleitung die Entwicklung des Forums gehen lassen wollte und ich kümmerte mich längere Zeit nicht mehr um das Forum

Letzteres möchte ich erläutern, weil es auch jetzt noch gilt: Es ist sicherlich wichtig, eine Gegenmeinung zu vertreten und Standpunkte einzunehmen, auch wenn man damit gegen den Mainstream schwimmt. Allerdings muss man 1) wissen, dass dies enorm viel Zeit und Energie kostet, die es in einem Forum einfach nicht wert ist. Man kann in einem Forum, in schriftlicher Form, schlicht kaum jemanden überzeugen, wenn dieser eine gefühlte Masse hinter sich hat. Kaum jemand will eine Meinung FINDEN im Forum, jeder (auch ich) will seine Meinung weitergeben

2) Zwar kann man die Forumsleitung nicht direkt als parteiisch bezeichnen, wenn man jedoch merkt, dass die eigene Meinung weniger gerne gesehen wird, hat man dort nichts mehr verloren – zum Schaden des Forums, das ja von verschiedenen Meinungen lebt, aber auch zum eigenen Nutzen, weil man nur Zeit verplempert.

3) Man darf die Bedeutung solcher Foren nicht überschätzen. Tausende Seitenzugriffe werden durch Google verursacht, da lesen die Leute nicht tatsächlich. Hundert registrierte User, von denen die meisten kaum schreiben. Das ist das eigentliche Publikum.

Wie du selbst einmal richtig geschrieben hast: In einem normalen Gasthaus steht man auf und setzt sich an den Nebentisch, wenn man merkt, man sitzt neben einem Idioten. Der sitzt dann nur noch alleine oder mit anderen Idioten zusammen. Wenn ihm das gefällt – okay. Wenn nicht, kommt er zum Nachdenken.

Mir ist die praktische Arbeit lieber als nutzlose Diskussionen zu führen. Wenn es stimmt, dass mit Feministinnen eine Diskussion unmöglich ist, dann ist sie es auch mit "Männerunbeweglichen". Die PRAKTISCHE Arbeit ist es auch, die von den Gegnern als gefährlich erkannt wurde – das Forum wird nur benutzt, um die praktische Arbeit kaputt zu machen.

Arne Hoffmann: Könntest du das noch ein bisschen ausführen: Obwohl fast alle Mitglieder seriöser Vereine wie AGENS und MANNdat um diese Foren einen Riesenbogen machen, stürzt sich der politische Gegner darauf, als wären die Foren der Kern unserer Bewegung. Im Gegensatz dazu werden linke Männerrechtler – ein Interview mit dir ist z.B. auch in meinem Buch "Männerbeben" enthalten – konsequent ausgeblendet. Wie erklärst du dir diese einseitige Wahrnehmung?

Wolfgang Wenger: Das ist schnell erklärt: In einem persönlichen Gespräch erzählte mir eine Person, die dem Bundesforum Männer nahesteht, dass die besagten Vereine (sie nannte explizit MANNdat) "leider" sehr seriös auftreten, insbesondere in Kontakten mit Politikern und Presse. Dies wurde als "gefährlich" bezeichnet. Diese angebliche Gefährlichkeit ist aber bei diesen Vereinen nicht aufzeigbar und wird nur vermutet. Gut, es gibt leider – das ist nicht zu bestreiten – gelegentlich auch aus diesen Vereinen Äußerungen, die fragwürdig sind. Aber darüber kann diskutiert und sie können zurückgenommen werden. Der große Reißer ist das nicht. Daher müssen sich diese Leute dankbar auf alles stürzen, was diesen Vereinen schaden könnte, und das findet sich in mustergültiger Form nur in den Foren.

Ich sage das mit Bedauern, denn ich finde viele Überschneidungen zwischen einem linken Maskulismus und derlei Kritikern. Ich teile ja diese Kritik fast zu 100%. Ich denke, wir könnten uns hier gut miteinander austauschen und Erfolg haben im Sinne einer männlichen Gleichberechtigung – ohne, dass die beiden Gruppen sich vermischen müssten. Jede hat ja seine Eigenständigkeit, die sinnvoll ist. Der VafK ist ja Mitglied im Bundesforum Männer (wenn auch als "schwarzes Schaf" und argwöhnisch von anderen durchleuchtet) und sicherlich hätten wir auch mit anderen Gruppen noch gute Gemeinsamkeiten. Es käme auf einen Versuch an, und man sollte den Austausch auch einmal wagen. Allerdings muss ich zugeben, dass zunächst einmal nur der linke Maskulismus gewinnen könnte. Er ist ja der kleinere Part und leider noch recht bedeutungslos. MANNdat und AGENS würde ich ja nicht gleich als Vertretung eines linken Maskulismus bezeichnen – manchmal "im Gegenteil".
Trotzdem sehe ich in den beiden Vereinen recht vernünftige Diskussionen laufen – soweit ich das von außen verfolgen kann.

Arne Hoffmann: Okay, das erklärt die Strategie der Kritiker einer Männerrechtsbewegung. Was ich noch nicht ganz verstehe, sind die Strategie derjenigen, die mal als unsere eigenen Leute galten. Ein Beispiel: "Wieviel 'Gleichberechtigung' verträgt das Land?" war früher ein sehr heterogenes Forum zur Geschlechterdebatte, wo man beispielsweise auch Grüne wie Jörg Rupp antreffen konnte. Inzwischen verlinkte die Forenleitung auf die Neonazi-Website Altermedia und veröffentlichte auf der Website zum Forum Passagen, denen zufolge Massenzuwanderungen längst unseren inneren Frieden zerstört hätten und dabei seien, unsere Kultur zu vernichten. Garniert wird das mit Wanderlegenden aus rechtsradikalen Weblogs. ("Gerade zu Weihnachten finden in Kindergärten, Schulen und anderen Einrichtungen keine Weihnachtsfeiern mehr statt, weil das die muslimischen Kinder verletzten könnte.") Der Journalistinnenbund greift derartige Steilvorlagen natürlich dankbar auf. Was ist deines Erachtens die politische Strategie dahinter, wenn Maskulisten ihre Anliegen mit derart fragwürdigen Texten würzen, die noch nicht einmal etwas mit der Geschlechterdebatte zu tun haben? Rainer Hamprecht ist ja nun mit Sicherheit kein feministisches U-Boot ...

Wolfgang Wenger: Das stimmt. Wäre er aber ein feministisches U-Boot – könnte er seine Sache besser machen?

Interessanterweise arbeiten diejenigen, die solche Äußerungen tätigen, und diejenigen, die darauf verlinken, klasse zusammen. Es gibt zu viele in der Männerbewegung, denen die Männer eigentlich egal sind. Andere Absichten haben eindeutig Priorität: Hass auf Schwule, Nationalismus, Religion, Fremdenangst, Angst vor dem Andersartigen, Sexualfeindlichkeit.

Das alles wird in ein Paket vermischt und zur generellen Männerfrage erhoben. "Mann sein" heißt dann plötzlich Dinge, bei denen sich die allergrößte Mehrheit der Männer an den Kopf greift. Dasselbe gilt für Begriffe wie "konservativ" und "religiös". Mancher fromme Kirchgänger würde sich wundern, was an mancher Äußerung christlich sein soll. Interessanterweise wird aber kein Kirchgänger mit solchen haarsträubenden Aussagen konfrontiert, als müsse er sich davon distanzieren.

Bei denen, die derlei Äußerungen benutzen, um die Männerrechtsbewegung insgesamt zu diskreditieren, frage ich mich allerdings auch, ob es denen überhaupt um Männeranliegen geht.

Zu dem vorher von dir Gesagten: Wenn man über die damalige Vielfalt in den Forendiskussionen spricht, sollte man nicht nur Jörg Rupp erwähnen. Denk auch mal an die Leute, deren Beiträge zu lesen ein regelrechter Gewinn war! Leute wie "susu" (der Transgender Simon Gunkel, ebenfalls interviewt für "Männerbeben" – A.H.) oder Ferdy – ein Mann, der Röcke trägt! Das wäre was in dem Zustand, in dem die Foren heutzutage sind ... Auch Ferdy hatte die Absicht, ein gemeinsames Forum zu machen, wo Männer und Frauen miteinander reden können. Hat leider nicht geklappt.

Letztlich stimmt es leider, dass die einen bleiben, die anderen gehen. Das ist aber nichts Männerspezifisches. Ich denke, damit hat die Forenkultur insgesamt zu tun. Schriftliche Diskussion in einem Forum neigt dazu, sich voneinander zu distanzieren, sich abzugrenzen, einen Gegner auszumachen. Geschriebene Worte wiegen ungleich schwerer. Was du mündlich mal schnell zur Seite legst ("er wird es schon nicht so gemeint haben") oder nach einer Nachfrage sofort korrigieren kannst, artet in einem Forum gleich in einen hässlichen Streit aus. Das Wort bleibt geschrieben da stehen. Menschen, die 98% deckungsgleiche Ansichten haben, können sich sehr bald über die fehlenden zwei Prozent total in die Haare kriegen. Deshalb: Kein linker Maskulismus mit einem Forum! Persönliche Treffen sind schwierig, zahlen sich aber IMMER aus. Notfalls braucht es Skype oder Telefon.

An dem von dir dargestellten Disaster ist klar die Forumsleitung schuld. Der Gründer dieses Diskussionsforums hätte derlei Äußerungen nie stehen lassen. Sogar Dinge, die ich selbst geschrieben habe, hätte ich nie geschrieben, wenn er Forenleiter geblieben wäre. Aber wenn andere drauslosdreschen, was das Zeug hält, gibt man einen groben Klotz dazu. Aber auch da stellt sich eben die Frage, ob es das wert ist.

Arne Hoffmann: Ein Gegenargument zu deiner Position, das von vielen Radikalen benutzt wird, lautet sinngemäß: "Leute wie Thomas Gesterkamp, Isolde Aigner, Hinrich Rosenbrock und Andreas Kemper versuchen ja sowieso den Eindruck zu erzeugen, dass noch die am weitesten links stehenden Männerrechtler Rechtsextremisten sind. Also brauchen wir uns erst gar nicht zurückzuhalten und können unseren Hass auf Ausländer, Schwule usw. ungehemmt hinausposaunen!" Was ist deine Antwort darauf?

Wolfgang Wenger: Was war zuerst da: die Henne oder das Ei? Ich glaube kaum, dass es einen Gesterkamp gäbe, wenn ich, Du, susu, Ferdy und andere noch im Forum schreiben würden. Inzwischen ist das Forum tatsächlich einseitig (gemacht worden). Und dass diese besagte Gruppierung ein Argument braucht, um ihren Hass auf alles andere herauszuposaunen, wäre mir auch völlig neu.

Umgekehrt befürchte ich auch, dass es der anderen Seite eh nur um Diskreditierung geht, egal was wir machen. Da gebe ich den rechten Männerrechtlern Recht: Wie die reagieren und was die machen ist zweitrangig. Jeder muss zu seiner Überzeugung stehen. Und meine steht denen von rechten Männerrechtlern eben diametral gegenüber. In ihrem Hass sind sie echt – und indiskutabel. Ich brauche mich nicht zu distanzieren, weil ich nichts mit ihnen gemeinsam habe. Und sie brauchen sich nicht zu verstellen. Die Männersache steht bei ihnen tatsächlich erst an zweiter Stelle.

Arne Hoffmann: Immer häufiger unterhält man sich auf "Wieviel Gleichberechtigung verträgt das Land?" inzwischen im Stil von Grundschülern – etwa darüber, welcher Pudel der verpudeltste und welcher Männerrechtler "vollkommen enteiert" ist. "Mädchen sind doof" wird sowieso ständig an die Wände gekritzelt. Mancher Beobachter hat sogar seinen Eindruck formuliert, dort statt in eine politische Bewegung in eine Art Gruppentherapie ohne Aufsicht hineinzuplatzen. Für dich als Jungenpädagogen ist das doch bestes Material zur Analyse. Was steckt hinter einem derartigen Auftreten; woher kommt das?

Wolfgang Wenger: Wie schon gesagt halte ich Foren für alle Arten von Zusammenarbeit für gänzlich ungeeignet. Man spaltet sich sofort. Die Extremisten gewinnen leicht die Überhand, weil jeder halbwegs Vernünftige (außer er neigt zum Masochismus oder kann schlicht nicht aufgeben wie ich) sich langsam zurückzieht. Vor allem, weil auch jeder Vernünftige plötzlich einen Zug zum Extremismus verspürt: Entweder er grenzt sich von den anderen härter ab, als er es eigentlich für nötig findet, oder er macht mit in dem Wettrennen des Extremismus. Jeder möchte der größere Antifaschist sein, jeder der schlimmste Schwarzer-Hasser, jeder der eifrigste Pudelhasser. Zwischentöne verschwinden mehr und mehr.

Da du schlecht der eifrigste Pudelhasser in konkreten Taten sein kannst (unsere Zeit und Energie ist beschränkt. Was soll man auch aktiv machen?), muss man irgendwann rein in Wortgefechte ausweichen. Verbal kann ich jeden Tag der allerschlimmste Antifeminist sein. Wenn jemand daran zweifelt, sagst du, dass du in fünf Foren mitschreibst – sofern du von Arbeitslosengeld lebst, kannst du damit auch noch jeden Werktätigen übertrumpfen. Auch bei den Feministinnen war Müßiggang aller Laster Anfang ... (grinst). Auch einen Leserbrief kriegst du noch auf die Reihe und da du ihn in einer Art und Weise geschrieben hast, wie er nie und nimmer von einer vernünftigen Zeitung abgedruckt wird, kannst du deine eigene Größe an der Art, wie sehr du "zensiert und verfolgt" wirst, belegen und von den anderen den Opferbonus reklamieren.

Jeder klar Denkende fragt sich da irgendwann: Wie weit bin ich bereit, da mitzugehen?

Jeder Erfolg rückt damit in weite Ferne. Es geht aber auch nur ums Recht haben und darum, sich selbst den Orden an die Brust zu heften.

Arne Hoffmann: Du hattest dich in "Männerbeben" deutlich über Leute geäußert, die lautstark die extremsten Forderungen krakeelen – man solle "den Feminismus für immer vom Antlitz der Erde tilgen" usw. – aber selbst nicht den kleinsten Finger rühren, um Männern in irgendeiner Weise konkret zu helfen. Inzwischen hetzen anonyme Schreihälse immer lauter ausgerechnet gegen die, die sich massiv engagieren: Eckhard Kuhla ist demnach ein halber lila Pudel, Monika Ebeling eine Hochverräterin – von den Verrücktheiten gegen mich will ich gar nicht reden. Was glaubst du, wohin sich diese Kontroverse zwischen den seriösen Aktiven und den untätigen Radikalen noch entwickeln wird?

Wolfgang Wenger: Da sie merken, dass mit ihrem Verhalten ein Erfolg unmöglich wird, müssen sie angstvoll gegen alle vorgehen, die tatsächlich Erfolg haben könnten.

In der Psychologie sagt man: Wenn man wenig Selbstbewusstsein hat, hat man zwei Möglichkeiten
1) – die anstrengendere: Man versucht, sein Selbstbewusstsein aufzubauen, bis man in der Lage ist, mit anderen im Vergleich mitzuhalten.
2) – die leichteste: Man wertet andere ab und stellt sie mit sich selbst damit auf eine Stufe.
(Deshalb werten manche Frauen auch gerne Männer ab – das nur so nebenbei).

Welchen Weg wählen wohl diejenigen, nach denen du fragst? Sie merken ihre Erfolglosigkeit. Mit ihren eigenen Methoden kommen sie keinen Schritt weiter. Aufgrund ihrer Wut können sie aber auch nicht anders. Dann muss man verhindern, dass andere erfolgreich sind. So erspart man sich wenigstens die eigene Blamage.

Ich selbst haben mit KEINEN FEMINISTEN ODER PUDELN Schwierigkeiten bekommen, als ich gegen das Verbot von Vaterschaftstests vorging. Die ersten und größten Schwierigkeiten und Anfeindungen kamen aus den Reihen, die ich damals noch als die "eigenen" bezeichnet hätte. Heute weiß ich, dass es die Gegner sind.

Wohin sich das noch entwickeln wird: Wir müssen sie wirklich als Gegner erkennen!

Esther Vilar hat immer wieder betont, dass der Feminismus erkennen muss, dass die Männer nicht die Gegner sind, sondern die wahren Gegner die "anderen" Frauen. Wir müssen im Gegensatz zu den Feministen den Mut haben, dies zu erkennen.

Arne Hoffmann: Siehst du in der Linken eine Zukunft für eine Männerrechtsbewegung, die für Geschlechtergerechtigkeit und Dialog statt Geschlechterhass und Einseitigkeit eintritt?

Wolfgang Wenger: Ehrlich gesagt müssen wir hier realistisch sein: Wir werden zerrieben zwischen einer relativ erfolgreichen politischen Männerbewegung, die nicht mehr allzu pro-feministisch ist – das sehe ich auch als unseren Erfolg! – und einer erfolglosen rechten Männerbewegung, die schon in einer tiefen Mulde festhängt, weil sie ständig auf der Stelle tritt, aber unseren weiteren Erfolg zwanghaft zerstören muss, um selbst bestehen zu können. Ihr Erfolg ist unsere Erfolglosigkeit. Der andere Part der Männerbewegung braucht uns nicht. Das können wir vielleicht ändern, wenn wir uns gut positionieren können.

Darauf kommt es aber erst in zweiter Linie an. Wir müssen unsere Position vertreten, weil es unsere Position ist und weil wir sie für richtig halten. Ob wir damit Erfolg haben oder nicht ist nebensächlich. Wie’s weiter geht, sehen wir dann.

Arne Hoffmann: Du warst kürzlich auf einer Mitgliederversammlung der Bundesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit. Dort waren auch MANNdat, AGENS und das von diesen Vereinen getragene Netzwerk Jungenpädagogik Thema. Wie werden diese seriösen geschlechterpolitischen Gruppen dort wahrgenommen?

Wolfgang Wenger: Als "gefährlich" – eben weil sie seriös auftreten. Das Forengequatsche wird als "das wahre Gesicht" gesehen. Mehr möchte ich nicht ausführen, weil es teilweise private Gespräche waren und ich nicht weiß, ob es recht ist, wenn ich davon weiter erzähle.

Arne Hoffmann: Warum hältst du einen "Maskulismus von links" überhaupt für notwendig genug, dass du in diese Strömung so viel Zeit investierst?

Wolfgang Wenger: Zugegeben: Wenn zwei Männer zusammen sitzen, versuchen sie schon, sich zu spalten und voneinander abzugrenzen. Unser ewiger Drang, den anderen Mann als Konkurrenz zu sehen und ihm zu schaden, damit man bei – vorhandenen oder nur vorgestellten – Frauen punkten kann. Auch das Bundesforum Männer hatte als erstes Anliegen nichts besseres zu tun, als sich vor der vorhandenen Männerbewegung erstmal abzugrenzen. Damit bloß die Frauen nicht beunruhigt werden ob der aufbegehrenden Männlichkeit. Zuallererst müssen Frauen zufriedengestellt werden. Die Frau muss vor den bösen Männern geschützt werden. Ein archetypisches Bild, das mich langsam langweilt, so oft kommt es vor. Wie eine Fernsehsendung, die täglich läuft.

Warum halte ich eine linke Männerbewegung, einen linken Maskulismus trotzdem für notwendig? Ohne Abgrenzungsnotwendigkeit hätte der ja keinen Sinn.

1) Ein linker Maskulismus muss jeden so leben lassen, wie er will. Egal wie konservativ oder wie progressiv dieses Leben sein will. Es ist jedermanns eigene Entscheidung. Die Gesellschaft kann zwar bestimmte Lebensformen fördern, aber nicht so, dass es andere Lebensformen nachhaltig behindert. Es geht nicht darum, andere zu bekämpfen, die andere Seite zu schädigen. Die Gesellschaft lebt von der Verschiedenheit. Das ist mir sehr wichtig. Auch wenn ich nichts mit bestimmten Meinungen, Männlichkeitsbildern anfangen kann, haben sie ihre Existenzberechtigung. Eine linke Männerbewegung darf sich formulieren, sie darf sich gruppieren.

2) Ein linker Maskulismus ist eine Revolution. Wie sehr, das ist mir im Laufe der Jahre erst richtig bewusst geworden. Männer definieren sich immer von der Frauenseite her: pro-feministisch, anti-feministisch. Darauf bin ich zu Beginn dieses Interviews eingegangen. Ein linker Maskulismus MUSS die Männer in den Mittelpunkt stellen. Er braucht sich nicht dafür entschuldigen, dass er das tut. Er braucht das den Frauen nicht erklären. Das ist nicht seine Aufgabe.

Frauen distanzieren sich selbst nicht in dieser Form voneinander (das beginnen sie jetzt erst langsam). Frauen kämpfen über ihre Männer. Feministinnen schicken ihre pro-feministischen Männer in den Kampf, konservative Frauen ihre Anti-Feministen. Der linke Maskulismus bleibt dazwischen und wird entweder zerrieben, oder er gewinnt. Ich fürchte aber, dieses Denken ist so antipatriarchalisch, dass es erst in 100 Jahren populär wird.

Esther Vilar scheint mir eine geeignete Vordenkerin für den linken Maskulismus zu sein. Entgegen der Ansicht vieler ist sie auch nicht vor Feministinnen aus dem Land geflüchtet. In ihrem Buch schreibt sie klar über ihre Sorge, dass die Männer vielleicht die Sklaverei so sehr lieben – nur, weil sie hin und wieder die Brotkrume einer "treuen" Frau in einem "Ach mein Liebster" gehaucht bekommen – dass sie gar nicht befreit werden möchten. Das hat sie erlebt und das erleben wir auch heute: in den rechten Männerforen und bei der pro-feministischen Männerbewegung gleichermaßen. Auch der Macho ist stark von Frauen abhängig oder war es als Kind und hat das nie überwunden (vgl. Italien als mütterfixiertes Land). Daher: Der linke Maskulismus ist eine Revolution – und nichts weniger!

Arne Hoffmann: Herzlichen Dank für dieses Gespräch. Gute Nacht und viel Glück!

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