Sonntag, Dezember 22, 2013

Blogstöckchen: Acht Fragen zum Maskulismus

Kaum ist die erste maskulistische Blogparade zum größten Teil vorüber, wird mit Blogstöckchen geworfen – Initiatorin ist diesmal Erzählmirnix, die dazu schreibt:

Ich habe mir überlegt, ein kleines Blogstöckchen zu werfen und zu schauen, ob es jemand aufheben will. Ich verlinke jetzt keinen, da die üblichen Verdächtigen schon irgendwie darauf stoßen werden. Es geht im weitesten Sinne um euer Verhältnis zum Maskulismus und ist für die gedacht, die sich selbst irgendwo im Bereich Maskulismus verorten oder sich mit dem Thema beschäftigen.

Wenn ihr also Lust habt, die Fragen in eurem Blog zu beantworten, verlinke ich euren Beitrag am Ende des Blogposts. Ihr könnt es natürlich wie bei den übrigen Blogstöckchen machen und eure eigenen Fragen dann an weitere Teilnehmer stellen, so dass das Stöckchen weiterwandert.


Der Flussfänger und das Dschinblog haben ihre Antworten bereits veröffentlicht; ich ziehe hiermit gerne nach.

1. DEN Maskulismus gibts ja eigentlich gar nicht… oder? Wie würdest du (deinen) Maskulismus definieren?

Maskulismus bezeichnet die Weltsicht und das Theoriegebäude der Männerrechtsbewegung. Ihr zufolge verdient auch ein Mann Zuwendung und Unterstützung, wenn er diskriminiert wird, zum Opfer wird oder aus anderen Gründen leidet. Maskulisten geht es darum, Benachteiligungen, soziale Problemlagen und Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf alle Menschen einschließlich der Männer zu erforschen, herauszufinden, was die möglicherweise vielfältigen Ursachen dafür sind, und realistische Lösungsstrategien zu entwickeln, die dann in einer gerechten Politik zur Anwendung kommen. Von der bisherigen Geschlechterpolitik nach dem Motto "Frauen und Mädchen haben Probleme, Männer und Jungen sind Probleme" setzt sich der Maskulismus entschieden ab.

2. Was war dein erster Berührungspunkt mit Maskulismus? Wann hast du zum ersten Mal was davon gehört und wann und warum hast du dich evtl. zum ersten mal selbst so bezeichnet?

Ich habe den Begriff "Maskulismus" als Analogiebildung zum englischen "masculism" nach Deutschland gebracht – im Jahr 2001 mit meinem Buch "Sind Frauen bessere Menschen?" auf Seite 12. Ich möchte gerne die vollständige Passage zitieren, also auch die Absätze, die zu diesem Begriff hinführen, weil hier auch die Positionierung zum Feminismus deutlich wird. Dabei möchte ich daran erinnern, dass ich der Wikipedia zufolge als "radikaler Antifeminist und Maskulist" gelte; die meisten von uns sind also offenbar wesentlich gemäßigter als ich:

Hierzulande wissen die meisten nicht einmal, dass die Frauenbewegung noch aus etwas anderem besteht als dem Trivialfeminismus, für den ja auch Alice Schwarzer nur stellvertretend steht. Unser Land scheint wasserdicht abgeschottet gegen nahezu jede feministische Literatur, die sich der Zuordnung "ich Frau: ich gut - du Mann: du böse" verweigert. Autorinnen wie Christina Hoff Sommers, Daphne Patai, Cathy Young, Wendy McElroy und all die anderen, die das Literaturverzeichnis dieses Buches füllen, werden ganz einfach nicht übersetzt. Aus diesem Grund spreche ich vereinfachend von "den Feministinnen", wenn es sich um den Mainstream handelt, und von "kritischen Feministinnen", wenn es sich um die Fraktion der Frauenbewegung handelt, die hierzulande so gut wie kein Gehör findet. Denken Sie bitte beim Lesen dieses Buches von Anfang bis Ende daran, dass ich in dieser Hinsicht ein wenig vereinfacht habe und dass die Frauenbewegung nicht grundsätzlich des Teufels ist.

"Entschuldigungen wären angebracht", liest man etwa bei Wendy McElroy, und bevor man sich als deutscher Mann fragen kann, wofür man sich denn jetzt schon wieder entschuldigen soll, geht es weiter: "Entschuldigungen wären angebracht bei der Hälfte der menschlichen Rasse: das heißt, den Männern." Und dann erklärt sie, ohne dass sie sich als Feministin irgendeinen Abbruch tut, dass Themen wie Vergewaltigung oder sexuelle Belästigung durchaus zwei Seiten haben und viele Fakten einfach nicht in Betracht gezogen werden. Vor allem die typisch deutsche Logik, nach der Frauen nur gewinnen können, wenn Männer verlieren, gibt es dort nicht. "Ob Männer nun laut oder leise schmollen", erklärt etwa unsere feministische Vorzeige-Sprachwissenschaftlerin Luise F. Pusch, "gute Frauenpolitik erkennt frau am Missmut der Männer."

Dieses Motto hat sich die feministische Partei DIE FRAUEN auf ihre Homepage gesetzt. Nicht weniger platt hört sich auch deren Parteiprogramm an, in dem gleich die gesamte prekäre Weltlage vom Hunger in den Entwicklungsländern bis zur Chemieindustrie als Übeltaten von Männern gegeißelt werden.

Offensichtlich wird es höchste Zeit, dass in Deutschland eine neue politische Kraft auf die Bühne tritt: die Maskulisten. "Maskulismus" ist, dem Oxford Companion to Philosophy zufolge, "die Ansicht, dass Männer systematisch diskriminiert werden und dass diese Diskriminierung beendet werden sollte". Das ist ziemlich genau die politische Überzeugung, die diesem Buch zugrunde liegt.


Wie man an meiner Antwort auf Frage 1 sieht, habe ich (mit der Unterstützung eines linken Männerrechtlers, der anonym bleiben möchte) diese Definition inzwischen verfeinert.

3. Gibt es maskulistische/männerrechtliche Bereiche, von denen du persönlich besonders betroffen bist?

Ich hatte bedingt durch meine 20 Monate Zivildienst gesundheitliche Nachteile, mit denen ich immer noch zu tun habe, sowie leichte Nachteile bei meiner beruflichen Karriere. Wie alle Männer bin ich von der Männerfeindlichkeit unserer Gesellschaft betroffen, dabei insbesondere den massiven Aggressionen gegen diejenigen, die sich für Männer und ihre Anliegen einsetzen.

4. Rein hypothetisch: Der Maskulismus wird plötzlich unglaublich einflussreich und Deutschland wird ein komplett maskulistischer Staat. Was würde sich aus deiner Sicht geändert haben?

Ja, wie würde die absolute Horrorvorstellung für viele Feministinnen und andere Antimaskulisten wohl aussehen? :-)

Meines Erachtens so: Der sexistische Kriegsdienst wäre nicht nur ausgesetzt, sondern komplett abgeschafft. Im Gesundheitssystem würden ebensoviel Gelder und so viel Aufmerksamkeit in typisch männliche wie in typisch weibliche Krankheiten gesteckt. Es gäbe ebensoviel Lehrstühle für Männer- wie für Frauenforschung, wobei Männer nicht nur als Täter und Unterdrücker erforscht wurden, sondern z.B. auch als Opfer von Diskriminierung und anderen Problemen (Stichworte: Lebenserwartung, Obdachlosigkeit, Scheidungsväter etc.) und mit dem Blick darauf, wie diese Diskriminierung am sinnvollsten beseitigt werden kann. Es gäbe ein ebensogut ausgebautes Netz von Hilfs- und Beratungsstellen für männliche wie für weibliche Opfer häuslicher und sexueller Gewalt, dafür aber keine sexistische Justiz zu Lasten von Männern und keine Diskriminierung von Männern wie etwa durch die Frauenquote. Die "Jungenkrise" würde unter anderem mit den Maßnahmen angegangen, die ich in meinem Buch Rettet unsere Söhne vorgeschlagen habe. Unter anderem lernen Jungen, dass ihnen vom "Macho" über den "Hausmann" bis zur "Tunte" jede Rolle offensteht, ihre Männlichkeit zu leben, mit der sie sich wohlfühlen. Die geschlechtsspezifischen Anliegen von Zuwanderern und Angehörigen sexueller Minderheiten sind selbstverständlicher Teil dieser Männerpolitik. Institutionen wie die UN würden den Menschenrechtsverletzungen, unter denen speziell Männer zu leiden haben, ebenso starke Aufmerksamkeit widmen wie den Menschenrechtsverletzungen an Frauen. Internationale Hilfe bei Notsituationen kommt beiden Geschlechtern gleichermaßen zugute. In den Medien sind Männerrechtler natürlich ebenso prominent wie ihre Kritiker und wie Feministinnen vertreten. Als Gegengewicht zur Vermeidung einer totalitären Gesellschaft und um die Anliegen der Frauen zu vertreten, gäbe es einen starken Equity-Feminismus, der ohne die Dämonisierungen von Männern auskommt. Es wird aber auch nicht versucht, alles in das Geschlechterschema zu pressen, wo z.B. die Bekämpfung von Problemen auf der sozialen Ebene vermutlich zielführender wäre.

Diese Gesellschaftsvision wird von vielen offenbar als extrem bedrohlich wahrgenommen, das Engagement dafür muss deshalb wohl entschieden ausgegrenzt und bekämpft werden. Unter Vergleichen mit Massenmördern wie Anders Breivik, wie sie von Hinrich Rosenbrock gezogen und dem ARD-Mitarbeiter Ralf Homann propagiert wurden, läuft da nichts ...

5. What about the Womenz? Ist für Frauen die Welt schon rosarot (haha, Wortspiel) oder gibt es aus deiner Sicht noch Dinge, die sich für Frauen verbessern sollten. Was für eine Rolle spielt da aus deiner Sicht der Maskulismus?

Witzig, genau diese Frage hat mir vor zwei Wochen eine feministische Journalistin des SWR gestellt. Also: Meiner Beobachtung nach haben es Frauen, die in bisher reine Männerdomänen vorstoßen, immer noch schwer. Bei prominenten Frauen wird immer noch häufiger als bei prominenten Männern über ihren Körper, ihre Klamotten oder ihr Privatleben als über ihre berufliche Leistung gesprochen. Mütter haben es im Arbeitsleben tendenziell immer noch etwas schwerer.

Der international führende Maskulist Warren Farrell spricht davon, dass wir in einer "bisexistischen Gesellschaft" leben, bei der beide Geschlechter zu kurz kommen, was einander oft auch bedingt: Wenn ich die Rolle des Mannes auf die des Familienernährers festlege, lege ich die Frau auch auf die Rolle der Hausfrau oder ledglich Dazuverdienerin fest und umgekehrt. Dementsprechend ließen sich auch viele Benachteiligungen beider Geschlechter parallel beheben. Paradebeispiel häusliche Gewalt: Da es sich dabei überwiegend um einen systemischen, wechselseitig eskalierenden Prozess handelt, der über die Generationen- und Geschlechtergrenzen hinweg übertragen wird, wäre auch Frauen gedient, wenn man sich stärker auch um männliche Opfer kümmern würde.

Dem unbenommen sind auf der gesetzlichen Ebene Diskriminierungen inzwischen nur noch auf männlicher Seite zu finden, und im großen und ganzen gehen dem Feminismus die Themen aus. Vermutlich werden deshalb Trivialitäten wie Überraschungseier für Mädchen skandalisiert und Feministinnen nehmen vermehrt Themen wie "critical whiteness" hinzu oder sprechen viel häufiger über die Probleme von Frauen in arabischen Ländern und der Dritten Welt. Als wichtige soziale Bewegung für unsere Gesellschaft trägt der Feminismus längst nicht mehr. Ich lese immer wieder aktuelle feministische Bücher, und der große Wurf sind die alle nicht.

6. Was stört dich am Maskulismus? Welche Themen, Meinungen oder Maskulisten gehen dir auf die Nerven, bzw. mit wem möchtest du nicht in einen Topf geworfen werden?

Über die kleine Szene, die ich als "lunatic fringe" bezeichne, habe ich ja oft genug geschrieben. Unter anderem bin ich nicht der Ansicht, dass das Frauenwahlrecht abgeschafft werden sollte oder man alle Menschen mit abweichender Meinung aufhängen sollte. Ich lehne Diskriminierungen und Diffamierungen von sexuellen Minderheiten ab; dem unbenommen kann ein einzelnes Mitglied einer sexuellen Minderheit (etwa Raewyn Connell oder Alice Schwarzer) natürlich trotzdem eine Knalltüte sein. Frauen- und Fremdenfeindlichkeit, die an den Maskulismus andocken möchten, sind inakzeptabel.

7. Welche Erfahrungen hast du allgemein gemacht, wenn du über das Thema Maskulismus diskutiert hast?

1996 an der Uni von einem männlichen Kommilitonen: "Eigentlich hast du ja vollkommen recht, aber zitiere mich damit bloß nicht öffentlich!" Ebenfalls 1996 von einer Kommilitonin: "Männer sind keine Opfer! Männer sind keine Opfer! Männer sind keine Opfer!" Ende 2013 von einer neuen Bekannten, einer Lehrerin: "Wenn man von dir erst einmal darauf aufmerksam gemacht worden ist, fallen einem selbst immer wieder Dinge auf, bei denen Männer ausgegrenzt werden."

8. Wenn du die Möglichkeit (Zeit, finanzielle Mittel, Reichweite, Unterstützung) hättest eine maskulistische Aktion zu organisieren, wie würde diese aussehen?

Ich würde mir zehn Minuten Sendezeit im ZDF kaufen und erklären, wofür der Maskulismus steht – ohne dass irgendein Zausel mit "Ihr seid alle NAZIS!!" dazwischenplärrt oder versucht, die Opferolympiade zu spielen ("Aber Frauen haben es viel schwerer!") Dann würde ich schauen, ob das viele Leute überzeugt oder nicht.

So, wenn ich das Spiel richtig verstanden habe, darf ich das Blogstöckcchen jetzt weiterwerfen, wohin ich möchte; es müssen keine Maskulisten sein. Da ich davon ausgehe, dass viele maskulistische Blogger sich von sich aus an der Aktion beteiligen werden und nicht eigens angesprochen zu werden brauchen, und auch weil ich die Diskussion gerne noch lebendiger und kontroverser hätte, werfe ich das Stöckchen mal weiter zu Robin Urban, die erst kürzlich bloggte:

"Warum kriegt jeder ein Blogstöckchen, nur ICH nicht? Schluchz." So etwas kann Seelen töten.


Damit hast du schon dein zweites Blogstöckchen in kurzer Zeit bekommen, liebe Robin. Mach was draus! :-)

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