Dienstag, Juni 25, 2013

"Tätschelnder Patriarch vs. hysterische Kampfemanze"

In der "Süddeutschen Zeitung" macht Judith Liere eine Bestandsaufnahme, was den derzeitigen Frontverlauf im Geschlechterkrieg angeht. Aufhänger ist für sie die feministische Sprachregelung an der Uni Leipzig. Liere befindet:

Es besteht die Gefahr, dass "Herr Professorin" den garstigen, breiten Graben zwischen den Geschlechtern noch vergrößert. Diese Kluft hat seit der Quoten-Debatte und der Brüderle-Diskussion ohnehin schon Grand-Canyon-hafte Ausmaße angenommen, mit einem leichtfüßigen Hopser kommt da inzwischen keiner mehr drüber. Nach all dem Streit, den Leitartikeln, Talkrunden, Büchern, Blogs und mehr oder weniger gescheiten Aufsätzen zum Thema ist die Situation nämlich die: Auf der einen Seite stehen, bis an die Zähne mit Argumenten bewaffnet, die Frauen. Auf der anderen Seite stehen, nicht minder schwer aufgerüstet, die Männer. Dazwischen klafft der Grand Canyon, über den hinweg sie einander feindseliger anstarren denn je.


Ich kann nachvollziehen, dass Judith Liere diese Frontstellung nicht gefällt. Mir persönlich gefällt sie allerdings besser als der Frontverlauf noch vor, sagen wir, 15 Jahren: Da standen auf der einen Seite bis an die Zähne bewaffnete Frauen und auf der anderen vollkommen unbewaffnete Männer, die ein Appeasement nach dem anderen ausprobierten und regelmäßig scheiterten.

Immerhin ist Judith Liere nicht so gaga wie die Grimme-Preis-Jury bei ihrer Entscheidung, ausgerechnet die Sexistinnen-Kampagne #Aufschrei besonders zu ehren. Denn, so Liere:

Das Twitter-Schlagwort "Aufschrei", unter dem Frauen ihre Erfahrungen mit Sexismus teilen sollten, hat eine kurze und traurige Karriere hinter sich: Es wird mittlerweile als ironischer Witz in Internetposts oder Unterhaltungen benutzt, sobald irgendetwas auch nur entfernt mit Männern und Frauen zu tun hat. Beispiel aus einer Stichprobe: "Warum gibt es unzählige Mario Karts, aber bisher kein einziges Marion Kart? #aufschrei".


Auch diese traurige Karriere ist kein Zufall, sondern war in einer unglücklichen Kampagne von Anfang an angelegt.

In den folgenden Absätzen böllert Liere gegen die wenigen prominenten Männer, die sich den radkalfeministischen Anmaßungen tatsächlich entgegenstellen, wobei sie Wolfgang Kubicki und Thomas Tuma herausgreift. Aber auch Liere kommt nicht darum herum zuzugeben, dass der feministische Großangriff irgendwie nicht so verläuft wie geplant:

Man muss sich nicht wundern, wenn viele Männer glauben, sie müssten beim Thema Frauenrechte nicht mehr zuhören. Auch jenseits der Nachrichtenbilder sind Frauen mit schuld daran, dass aus einer Debatte, die eigentlich ein besseres Miteinander zum Ziel haben sollte, ein ideologischer Grabenkampf geworden ist. (...) Fieberhaft werden Netzwerke und Seilschaften aufgebaut, um eine möglichst hermetische Front zu bilden, eine Front gegen "die Männer". Argumente rücken in den Hintergrund, für Selbstkritik ist gerade keine Zeit. (...) Heute scheint weibliche Solidarität manchmal mehr zu zählen als Inhalt. Nicht jede macht da mit. Auf der Facebookseite der Süddeutschen Zeitung kommentierte eine Nutzerin die neue Sprachregelung an der Leipziger Uni: "Wenn das der neue Feminismus sein soll, steig' ich aus."


Bei alldem tut Judith Liere in ihrem Beitrag allerdings so, als sei sie der edle Friedensengel, der über den Fronten schwebt. Nur: Dieses Bild stimmt in keiner Weise. Auch Judith Liere spricht nur von den Ansprüchen der Frauen, sie bemängelt lediglich die falsche Taktik, um diese Ansprüche durchzusetzen. Dass Männer eigene Ansprüche anmelden könnten, kommt bei ihr durchgehend nicht vor. Aber immerhin, und dafür sind wir ihr dankbar, verdeutlicht ihre Analyse, dass der radikale Feminismus gerade wegen seiner Kampfeswut inzwischen regelmäßig auf die Fresse fliegt. Das ändert bis jetzt leider noch gar nichts daran, dass er in der deutschen Geschlechterpolitik die hegemoniale Ideologie darstellt. Bis hier echte Ausgewogenheit entstanden ist, werden noch viele, hoffentlich konstruktivere Konflikte zu führen sein.

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