Donnerstag, Februar 01, 2018

MeToo: Verbannung von Gemälden mit nackter Haut beginnt – News vom 1. Februar 2018

1. Wer geglaubt hat, dass der feministisch korrekte Eifer bei dem Gedicht eines einzigen Künstlers, dem Wegretuschieren von zeitgenössischen Schauspielern und dem Verbannen der Filme mancher Regisseure in den Giftschrank endet, dürfte sich in den Finger geschnitten haben. Der neoviktorianische Puritanismus beginnt gerade erst.

Das hier ist das Ölgemälde "Hylas und die Nymphen". Es stammt aus dem Jahr 1896, also vom Ende des viktorianischen Zeitalters.

Wenn Sie an das gesellschaftliche Klima dieser Tage denken, ahnen Sie vermutlich schon, was mit diesem Bild gerade passiert. Die Manchester Art Gallery, wo es bislang ausgestellt war, hat es jetzt von ihren Wänden entfernt. Postkarten des Gemäldes werden im Geschäft des Museums aus dem Verkauf genommen.

Clare Gannaway, Kuratorin der Galerie für zeitgenössische Kunst, sagte, das Ziel der Entfernung sei es, Debatten zu provozieren und nicht zu zensieren. "Es ging nicht darum, die Existenz bestimmter Kunstwerke zu leugnen."

Die Arbeit hängt gewöhnlich in einem Raum mit dem Titel In Pursuit of Beauty, der Gemälde aus dem späten 19. Jahrhundert enthält, die viel weibliches Fleisch zeigen.

Gannaway sagte, der Titel sei schlecht, da es sich um männliche Künstler handelte, die Frauenkörper verfolgten, und um Gemälde, die den weiblichen Körper als passive dekorative Kunstform oder als Femme Fatale präsentierten.

"Für mich persönlich gibt es ein Gefühl der Verlegenheit, dass wir uns nicht früher damit auseinandergesetzt haben. Unsere Aufmerksamkeit war andernorts ... wir haben kollektiv vergessen, diesen Raum zu betrachten und richtig darüber nachzudenken. Wir wollen jetzt etwas dagegen tun, weil wir es schon so lange vergessen haben."

Gannaway sagte, dass die Debatten um Time's Up und #MeToo in die Entscheidung eingeflossen seien.

(...) Der Künstler Michael Browne, der an der Veranstaltung teilnahm, bei der das Gemälde abgenommen wurde, sagte, er sei besorgt, dass die Vergangenheit ausgelöscht werde.

"Ich mag es nicht, wenn Kunst ersetzt und entfernt wird und man mir sagt: Das ist falsch und das ist richtig. Sie nutzen ihre Macht, um gegen Kunst in einer öffentlichen Sammlung ein Veto einzulegen. Wir wissen nicht, wie lange das Gemälde von der Wand verschwindet – es kann Tage, Wochen, Monate dauern. Wenn es keine Proteste gibt, kommt es vielleicht nie wieder zurück."

Browne sagte, er befürchte, dass historische Gemälde zugunsten zeitgenössischer Gemälde über Bord geworfen würden.

"Ich weiß, dass es andere Arbeiten im Keller gibt, die wahrscheinlich aus den gleichen Gründen als anstößig betrachtet werden und nie das Licht der Welt erblicken werden."


Selbst der feministische "Guardian" kann da nicht mehr mitgehen und fragt: Ist Picasso als nächstes dran?

Während man darüber diskutiert, sagt die Nationalgallerie Washington eine Ausstellung des Künstlers Chuck Close ab:

Chuck Close soll mehrere seiner weiblichen Modelle belästigt haben. Frauen berichteten im Dezember und im Januar von unangebrachten Bemerkungen und Annäherungen. Der halbseitig querschnittsgelähmte Künstler gab zu, sich anzüglich geäußert zu haben. Dies sei aber zu dem Zweck geschehen, um zu testen, ob sich die Frauen als Nacktmodelle eignen. "Wenn ich jemanden in eine peinliche Situation gebracht habe oder in eine Situation, in der man sich unwohl fühlt, tut es mit aufrichtig leid ... Ich gebe zu, dass ich manchmal schmutzige Sachen sage, aber wir sind alle Erwachsene", sagte er der "New York Times" im Dezember.


Es ist mir unerfindlich, wie er beim gegenwärtigen Klima noch glauben kann, damit durchzukommen.



2. Die Schauspielerin Hayley Atwell bittet um Verzeihung dafür, mit Woody Allen zusammen gearbeitet zu haben, und berichtet von ihrer eigenen Erfahrung mit dem Regisseur:

Im Gespräch mit dem [britischen] "Guardian" sagte Atwell, dass sie sich durch die Bewegungen #MeToo und Time's Up "wachgerüttelt" fühlte. "Ich war schon immer offen, aber diese Bewegung hat ein ruhiges Selbstvertrauen geschaffen, dass wir Dinge anprangern können, wenn sie nicht in Ordnung sind - nicht nur sexuelle Belästigung, sondern jeden Machtmissbrauch", sagte sie.

Auf die Frage nach ihrer Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Allen antwortete sie mit der Erklärung, dass sie noch nie zuvor darüber gesprochen habe. Sie sagte weiter, es sei der erste Film, in dem sie aufgetreten sei, und sie sagte, dass sie sich "überhaupt nicht von ihm geleitet gefühlt habe". "Ich hatte keine Beziehung zu ihm", sagte sie. "Und das war schön, aber bizarr. Es war eine großartige Gelegenheit, also habe ich mein Bestes getan und bin gegangen", sagte Atwell. "Ich wusste damals nicht, was ich jetzt weiß. Würde ich jetzt mit ihm arbeiten? Nein. Und ich stehe solidarisch zu seiner Tochter und entschuldige mich bei ihr, wenn mein Beitrag zu seiner Arbeit ihr Leid verursacht hat oder sie sich in irgendeiner Weise nicht ernst genommen fühlt".

Die Schauspielerin fügte hinzu: "Es ist aufregend, dass ich das jetzt sagen kann, ohne auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden."




3. Auch die "Bunte" berichtet über Dieter Wedel – unter der Überschrift "Der unfassbare Leidensweg der Frau, die ihn jetzt vor Gericht bringt". Wie gut, dass die Unschuldsvermutung von unseren Medien so wichtig genommen wird.



4. Harvey Weinstein reagiert auf die Beschuldigungen einer seiner Anklägerinnen, Rose McGowan, die ihm vorwirft, sie vergewaltigt zu haben. Weinstein legt nun eine Mail vor, die McGowans ehemalige Managerin Jill Messick geschrieben habe und in der sie folgendes berichte:

"Als wir uns am folgenden Tag (...) trafen, erzählte [Rose McGowan] mir zögerlich, aber von sich aus, dass sie während des Meetings in der vergangenen Nacht in eine heiße Badewanne mit Mr. Weinstein gestiegen sei. Sie machte sehr deutlich, dass sie das einvernehmlich tat und es im Nachhinein etwas war, was sie bereute."


Einen ausführlicheren englischsprachigen Beitrag findet man hier.



5. MeToo ist heute Abend Thema bei Maybrit Illner. Dort wird zum Beispiel Anne Wizorek auf Svenja Flaßpöhler treffen.

Gestern Abend war MeToo bereits Thema bei Markus Lanz. Immerhin sprach Til Schweiger dort auch über Männer, die sexuell missbraucht worden waren und niemandem davon erzählt hatten außer ihm, weil sie mit ihm sehr gut befreundet waren. Ansonsten streitet er sich heftig mit Gisela Friedrichsen, die sich stur weigert, Beschuldigungen und Tatsachen als ein und dasselbe zu verstehen.

Der Stern schreibt über die Sendung:

Und schon sind wir wieder mittendrin in der Verurteilung, gegen die sich der so Verurteilte nicht wehren kann. Weil er nicht eingeladen ist. Weil es ihm de facto eh nichts mehr nutzt, all die Vorwürfe zurückzuweisen. Weil er als Regisseur ohnedies erledigt ist. Weil die – natürlich auch hier wieder viel bemühte – Unschuldsvermutung nur vor Gericht, aber eben nicht im Diskurs der sozialen Medien gilt. Und der Journalismus ein wenig hilflos der Lawine gegenübersteht, die er da ausgelöst hat.




6. Im britischen Spectator schildert Cosmo Landesman seinen Besuch eines feministischen Workshops, der Männer zu guten "allys" (Verbündeten) und MeToo-Männern erzieht.



7.
In der mittelschwedischen Stadt Örnsköldsvik mussten drei weibliche Angestellte eines Flüchtlingsheims ihren Job aufgeben. Grund: Sie waren der intimen Beziehungen mit unbegleiteten minderjährigen Asylbewerbern überführt worden. Örnsköldsvik ist in Schweden kein Einzelfall. Immer wieder kommt es bei jungen Flüchtlingen zu Übergriffen durch Helferinnen.


Hier geht es weiter.



8. Eva Högl, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion und Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Berlin, werden gute Chancen für den Posten der Justizministerin zugeschrieben. Vergangenes Jahr hatte Högl eine Änderung des Gesetzes gefordert, um mehr Frauen in die Parlamente zu spülen: "Wir müssen in den nächsten vier Jahren eine neue Regelung im Wahlrecht schaffen, die das ändert. Wir brauchen Sanktionen, sonst tut sich nichts."

Das eine Prozent, das uns beherrscht, wird vermutlich wieder bekommen, was es will.



9. Vor kurzem berichteten die Leitmedien darüber, dass eine Korrespondentin der britischen BBC dem Sender vorgeworfen hatte, Frauen schlechter zu bezahlen. Selbst der als "Antifeminist" verschriene maskulistische Parlamentsabgeordnete Philip Davies stimmte zu. Inzwischen allerdings wurden die Vorwürfe von einer Unternehmensberatung untersucht, und es zeigt sich auch hier:

Alles schick in Sachen Gendergerechtigkeit in der BBC, die Prüfung durch PwC habe keine ungesetzliche Übervorteilung von Männern ergeben. In der Tat gebe es zwar Auswüchse in der Bezahlung einzelner Männer, auch fehle es an einer transparenten Gehaltsstruktur für die Sprecher, bei denen die Männer durchaus überproportioniert seien, aber insgesamt seien die Gehaltsunterschiede alle irgendwie begründet.


(Siehe hier ausführlicher, allerdings in englischer Sprache.)

Vor ein paar Tagen haben männliche Mitarbeiter der BBC einer Lohnreduzierung zugestimmt.

Wie schaffen es Frauen eigentlich, dass sich Männer vor lauter Schuldgefühlen ins eigene Fleisch schneiden, bevor ein Vorwurf überhaupt angemessen untersucht wurde?



10. Ihr macht das alle total falsch!! Die Universität des US-Bundesstaats Arizona bietet deshalb bald einen Kurs an, in dem man lernt, wie man sich anständig selbst befriedigt. Ursprünglich geplanter Titel: Go fuck yourself!

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