Montag, Januar 29, 2018

Kita-Plätze, Woody Allen, Heulzimmer für Polizistinnen – News vom 29. Januar 2018

1. Wie die Frankfurter Allgemeine in einem Artikel vom 28. Januar (nicht online, nur in der Druckausgabe) berichtet, führen kostenlose Betreuungsplätze für kleine Kinder nicht dazu, dass Frauen verstärkt arbeiten gehen. Mit diesem Argument hatten zahlreiche Bundesländer die Gebühren für Kindertagesstätten zumindest teilweise abgeschafft, und die SPD versprach im Wahlkampf kostenlose Kita-Plätze für alle. Eine Studie, die zwei Forscherinnen des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) erstellten und die der Frankfurter Allgemeinen vorab vorliege, zeige nun, dass zwar mehr Kinder eine Kita besuchten, Frauen deswegen aber keineswegs vermehrt arbeiteten.

Diese Erkentnis erinnert mich an eine vergangenes Jahr veröffentlichte Studie, die die Wirtschaftswissenschaftler Marie Paul von der Universität Duisburg-Essen (UDE) und Fabian Dehos vom RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung durchführten. Auch ihre Ergebnisse waren ernüchternd: Entgegen der beliebten Rhetorik, dass Frauen vor allem deswegen seltener als Männer arbeiten gehen, weil sie sich den ganzen Tag um ihre Kinder kümmern müssen, brachte ein größeres Angebot von Ganztagsschulen keine Veränderung bei der weiblichen Bereitschaft zur Erwerbstätigkeit. Es ließ sich nicht einmal nachweisen, dass Mütter, die das zusätzliche Betreuungsangebot tatsächlich in Anspruch nahmen, länger arbeiteten, also zum Beispiel von Teilzeit auf Vollzeit umstiegen. "Die zusätzlichen Ganztagsschulplätze haben weder einen direkt ursächlichen Effekt auf die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden noch auf die Beschäftigungswahrscheinlichkeit von Müttern mit Grundschulkindern", erläuterte damals der Wirtschaftswissenschaftler Fabian Dehos. Und seine Kollegin Professorin Marie Paul ergänzte: "Wer seine Kinder nachmittags in der Schule versorgt weiß, sucht sich nicht deswegen einen Job oder stockt seine Stunden auf. Außerdem sind viele Frauen nicht zwingend auf die Ganztagsschule angewiesen, obwohl sie arbeiten. Sie würden die Betreuung auch anders organisieren."

Die aktuelle Studie zu Kitas und die damalige Untersuchung zu Ganztagsschulen ergänzen einander und zeigen, dass das inzwischen fast automatisch erfolgende Bedauern und "Entlasten" von Frauen keineswegs immer den erhofften Effekt herbeiführt. Offenbar drängen viele Frauen gar nicht so sehr nach Berufstätigkeit, wie es in der feministischen Weltsicht behauptet wird, sondern gehen eher ungern arbeiten, solange es sich vermeiden lässt – beispielsweise weil ihr Unterhalt durch einen Familienernährer gesichert ist.



2. Nachdem sich immer mehr Schauspieler im Zuge der "MeToo"-Bewegung von Regisseur Woody Allen (82) abgewandt haben, könnte sein neuester Film "A Rainy Day In New York" im hintersten Eck des Hollywood-Giftschranks landen, ohne jemals veröffentlicht zu werden. Derartige Überlegungen soll man beim verantwortlichen Distributor Amazon hegen: "'Rainy Day' wird entweder gar nicht erscheinen, oder aber von Amazon ohne große PR und ohne Kino-Veröffentlichung herausgehauen." Zudem soll Allen inzwischen Probleme haben, noch Darsteller für zukünftige Projekte zu finden, heißt es weiter. Ein Theater im Bundesstaat Connecticut hat außerdem bereits ein Stück des Filmemachers aus dem Programm verbannt.

Dass Woody Allen tatsächlich Missbrauch begangen hat, wurde mehrfach untersucht, wobei die Zweifel überwiegen. Das scheint im gegenwärtigen Meinungsklima allerdings uninteressant zu sein.



3. In der Reihe "Feministinnen heute" präsentieren wir diesmal die mit dem Großen Österreichischen Staatspreis geehrte Künstlerin Renate Bertlmann. Woran liegt es nur, dass solche Streiterinnen für Geschlechtergerechtigkeit in der Bevölkerung nur begrenzte Begeisterung auslösen?



4. Stoppt die neuen Tugendterroristen! fordert Peter Huth in der "Welt".



5. Liebe Polizei, ist heute der richtige Tag für gendergerechte Sprache? fragt zweifelnd die Berliner B.Z.



6. Das Blog "Männergedanken" erinnert an den heutigen Killed-at-Work-Day.



7. Vorbildlich frauenfreundlich ist die Polizei im britischen Nottinghamshire:

Polizistinnen mittleren Alters werden bei der Arbeit "Heulzimmer" zur Verfügung gestellt, wenn sie sich in den Wechseljahren von Gefühlen überwältigt fühlen.

Die Frauen werden auch für jeden Einsatz, die sie verrichten,"risikobeurteilt" und dürfen (...) spät zur Arbeit kommen.

Die Politik der Polizei von Nottinghamshire besagt, dass Frauen in den Wechseljahren häufige Pausen einlegen, einfachen Zugang zu Toiletten und Duschen haben und Schreibtische mit einer Brise oder einem Ventilator erhalten sollten. Sie sollten in der Lage sein, ihre Uniform zu wechseln oder unnötige Schichten zu entfernen, um Hitzewallungen zu bewältigen. Sie sollten auch über private Bereiche verfügen, um sich vorübergehend auszuruhen, zu weinen oder mit einem Kollegen zu sprechen.




8. Die liberale, männerfreundliche Feministin Cathy Young erörtert im Boston Globe, wie der ideologische Eifer, der zunächst nur an US-Universitäten blühte, nach und nach die gesamte Gesellschaft erfasst. Eben weil dies zu befürchten war, hat Genderama diese Zustände immer wieder thematisiert:

Noch vor nicht allzu langer Zeit waren Slogans wie "White Privilege" oder "Rape Culture", die eine breite Palette sozialer Dynamiken auf Rassismus und Frauenfeindlichkeit reduzieren, außerhalb des radikalen Flügels des akademischen Sektors selten zu hören. Heute haben sie den Mainstream erobert. Der Begriff "Mikroaggression", der Aussagen und Handlungen beschreibt, die als unbeabsichtigt voreingenommen gelten, taucht nun auch in Wirtschaftspublikationen ohne Erklärung auf.

Der Widerstand gegen Bigotterie und Ungerechtigkeit ist ein edles Ziel, aber die Bewegung für soziale Gerechtigkeit auf dem Campus und außerhalb des Campus geht weit darüber hinaus. Es kennzeichnet die Menschen gemäß ihrer Identität und schafft eine Hierarchie, in der das "Marginalisieren" Status verleiht und das "Privilegieren" Schande bringt. Darüber hinaus ist der Fokus auf die Veränderung "falscher" Haltungen, fast schon per definitionem, der freien Meinungsäußerung feindlich gesinnt: Widerspruch, ja sogar Gegenargumente, werden zu "Mikroaggression" oder "diskursiver Gewalt".

(...) Diese Tendenz zeigt sich unter anderem in den jüngsten Konflikten um #MeToo, der Bewegung gegen sexuelle Übergriffe. Während die Liste der beschuldigten Männer gewachsen ist, haben sogar feministische Veteraninnen wie Harvard-Rechtsprofessorin Elizabeth Bartholet die Bewegung für die Gleichsetzung von Anschuldigung mit Schuld und plumpen Anbaggerns mit Vergewaltigung kritisiert. Der Aufruf, "Frauen zu glauben" - anstatt auf Beweise und ein ordentliches Verfahren zu warten - war ein Protestmotto auf dem Campus, bevor #MeToo ihn übernahm.

(...) Außerdem nährt und stärkt die linke Campuspolitik die Rechte. Geschichten über politische Korrektheit laufen Amok, fröhlich aufgegriffen (und in manchen Fällen übertrieben) von konservativen Medien steigern sie die Wahrnehmung von zügelloser Überempfindlichkeit, Sprachkontrolle und anti-männlicher und/oder anti-weißer Voreingenommenheit. Neue Forschung durch Georgia State University Ph.D. Kandidat Zack Goldberg bestätigt anekdotische Berichte, dass viele Wähler Donald Trumps zumindest teilweise durch Bedenken über die politische Korrektheit motiviert waren.

Vielleicht besteht die reale Gefahr darin, dass die "Krieger der sozialen Gerechtigkeit" auf der linken Seite den Trumpismus auf der rechten Seite stützen und umgekehrt. Wenn jede Seite die andere Seite zum Handeln in einer Feedback-Schleife anregt, wird bald wenig Platz für alle anderen übrig bleiben.

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