Dienstag, August 08, 2017

Böll-Stiftung bittet um Verzeihung für Pranger, nennt aber keine Namen – News vom 8. August 2017

1.
"Wir bedauern sehr, dass durch die gewählte Form manche an antidemokratische Methoden erinnert werden und entschuldigen uns bei denjenigen, die sich möglicherweise persönlich verletzt fühlen."


So heißt es in einer Verlautbarung vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung zum Antifeminismus-Pranger, die gestern online gestellt wurde. Weiter heißt es dort, man werde die lagerübergreifend entsetzte

Kritik und Reaktionen zum Anlass nehmen, die bisherige Veröffentlichung zu überprüfen. Entsprechend unseres Selbstverständnisses werden wir Ziele und Format sowie die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk und die Wirkung der "Agent*in" kritisch hinterfragen, zeitnah intern beraten und die öffentliche Debatte führen.


Für mich gibt es offen gesagt einige Hindernisse, diese Bitte um Verzeihung zu gewähren. Beispielsweise wüsste ich gerne, wie genau es aussehen soll, wenn die Böll-Stiftung mit mir eine "öffentliche Debatte" führen möchte. Bisher hatte man in der grünen Stiftung peinlich genau darauf geachtet, zu geschlechterpolitischen Debatten wohl Feministinnen, aber ja keine Männerrechtler einzuladen. Das sind die Strukturen, die überhaupt erst den Online-Pranger ermöglichten, der "an antidemokratische Methoden erinnert", wie die Böll-Stiftung jetzt scheinbar einsichtig schreibt. Auch der Online-Pranger sollte offenbar das Entstehen einer Debatte auf Sachebene unterbinden, indem er Personen mit abweichenden Meinungen brandmarkte.

Das Blog Science Files schätzt das Statement der Heinrich-Böll-Stiftung so ein:

Wenn man in Rechnung stellt, dass dieser Text mit Sicherheit die moderateste Formulierung ist, die man bei der HB-Stiftung gefunden hat, dann kann man sich ungefähr vorstellen, welche Ausmaße die interne Kritik angenommen hat und welche Folgen die öffentliche Kritik für die Reputation und – viel wichtiger: die Bereitschaft der Projektpartner der HB-Stiftung, Geld an die Stiftung zu überweisen – hatte. Dass sich Unmüßig und Ueberschär gemüßigt sehen, sich für die gewählte Form und dafür zu entschuldigen, dass "manche" durch die Denunziationsplattform "möglicherweise" persönlich verletzt wurden, lässt auch einiges an Rückschlüssen zu.

Sicherlich gibt es bei der HB-Stiftung dann, wenn die Anti-Antifeminismus-Fraktion wütet, keine Gedanken daran, ob man mit Anti-Antifeminismus Menschen verletzt oder ihnen persönlich, beruflich oder psychisch schadet. Eine Größe, mit der die Anti-Antifeminismus-Fraktion rechnet, werden die Feinde erst dann, wenn sich die Kosten für die anti-antifeministischen Kampagnen häufen. Genauer: Die Zahl derjenigen, die die HB-Stiftung mit der Ankündigung einer Klage auf Schadensersatz wegen ihrer Nennung in Agentin.org erschreckt haben, ist wohl nicht gering. Bei 177 Personeneinträgen im Denunziations-Wiki ist selbst nach deutschem Recht, nicht zu reden von britischem Recht, einiges Potential für Schadensersatzforderungen, die sich schnell im fünf- bis sechsstelligen Bereich summieren können. Man hat also wohl vor den finanziellen, nicht vor den moralischen Kosten kapituliert.


Science Files weist auch auf einen Tweet des FAZ-Journalisten "Don Alphonso" hin, dessen Recherchen wohl maßgeblich dazu beitrugen, den Verantwortlichen für diesen Pranger zunächst das Handwerk zu legen. "Don Alphonso" nämlich merkt völlig zu Recht an:

Zur Entschuldigung gehört auch die Benennung der Schuldigen. Und nicht deren Vertuschung.


Nun liegt der Einwand nahe, dass "Don Alphonso" selbst doch den umstrittenen Soziologen Andreas Kemper als Hauptschuldigen identifiziert hatte. Allerdings hegt "Don Alphonso" den wohl nicht unbegründeten Verdacht, dass Kemper mit seiner bekannten Begeisterung dafür, auf Männerrechtler loszugehen, nur anderen Leuten nützlich war und für sie eine vorgeschobene Figur darstellte. So beanstandet auch ein aktueller Artikel der "Welt", dass hier offenbar Hintermänner oder -frauen noch im Dunkeln bleiben:

Auf der vorübergehend stillgelegten Seite findet sich kein namentlicher Absender, ein Impressum, das erst nachträglich eingefügt wurde, verweist auf die Böll-Stiftung. Wer sich informieren will, könne dies über eine Mail-Adresse tun, die ebenfalls von der Böll-Stiftung angelegt wurde. (...) Weitere Namen von Mitwirkenden werden nicht genannt. Bei der Böll-Stiftung heißt es, finanziell werde das Projekt "Agent*In" nicht von der Stiftung unterstützt, man stelle lediglich die technische Unterstützung. Eine Distanzierung von dem Projekt? Weitere Fragen müssten Henning von Bargen gestellt werden, hieß es noch Montagmittag. Für die Stiftung der Grünen eine zumindest missliche Konstruktion, wenn sich die Pressestelle inhaltlich nicht zu einem Projekt äußern kann, das eindeutig von der Stiftung gefördert wird, sei es auch nur über technische Dienstleistungen. (...) Mitgründer Henning von Bargen befindet sich auf einer Dienstreise und sei bis Dienstag für Nachfragen schwer zu erreichen.


Währenddessen berichtet "Don Alphonso" auf Twitter, dass eine unter Pseudonymen wie "Fiona B." und "Fiona Baine" agitierende Aktivistin inzwischen auf der Wikipedia-Seite von "Don Alphonso" (Rainer Meyer) wütet.

"Fiona B." ist mit einigen Helfershelfern seit Jahren dafür verantwortlich, mich und andere Menschen, die sich für Jungen und Männer einsetzen, in den Wikipedia-Einträgen über uns so schlecht wie nur irgend möglich darzustellen und die Männerrechtsbewegung als eine Mischung aus Geistesgestörten und Schwerverbrechern erscheinen zu lassen. Dabei stellte die Wikipedia ein System dar, in dem ein solches Treiben nicht nur funktionierte, sondern wo die Verantwortlichen feministischen Eingriffen sogar Unterstützung anboten. Schützenhilfe gab es damals auch in Blättern wie der "taz", die letzte Woche Andreas Kempers momentanen Rückzug vom Veröffentlichen Schwarzer Listen flankierte.

Von dem "Neutral Point of View", den die Wikipedia als Banner vor sich her trägt, ist hier nichts übrig geblieben. Stattdessen stellte sie eine Art Übungsgelände für den grünen Online-Pranger dar, um politisch missliebige Personen durch den Dreck zu ziehen. Ich habe die dabei angewendeten Methoden hier und hier näher aufgeschlüsselt.

Grundsätzlich fällt auf, dass Akteure, deren "politische Arbeit" meiner persönlichen Schätzung nach zu 95 Prozent aus dem Denunzieren anderer Personen besteht, extrem empfindlich reagieren, wenn sie selbst namentlich gemacht werden. Andreas Kemper etwa hatte dieser Tage in seinem Blog erklärt, der Initialzünder für seine Attacken auf die Männerrechtsbewegung sei seine Enttarnung in der "Jungen Freiheit" gewesen, wofür er offenbar mir die Schuld gibt, weil ich zuvor in einem Blogeintrag gegen die Anonymität in der Wikipedia plädiert hatte.

Das Ungleichgewicht war in den letzten Tagen auch anderen Beobachtern aufgefallen. Während die Verantwortlichen für den Online-Pranger anonym blieben, würden sie ihre Gegner "gnadenlos" angehen, hatte etwa das "Hamburger Abendblatt" angemerkt. Die Frage ist, wie lange das noch gutgehen wird. "Ich kann zeigen, wer die Beteiligten im Hintergrund sind" erklärte "Don Alphonso" in einem weiteren Tweet. Und falls die Böll-Stiftung das nicht selbst hinbekomme, werde er das auch tun.

Die Spannungskurve in diesem Krimi ist noch immer nicht am Ende.



2. Verschiedene Medien, darunter die New York Times berichten, dass der Google-Mitarbeiter James Damore, der in einem Memo die Diversity-Politik des Konzerns kritisiert hatte, gefeuert wurde:

Google on Monday fired a software engineer who wrote an internal memo that questioned the company’s diversity efforts and argued that the low number of women in technical positions was a result of biological differences instead of discrimination.

(...) The memo put the company in a bind. On one hand, Google has long promoted a culture of openness, with employees allowed to question senior executives and even mock its strategy in internal forums. However, Google, like many other technology firms, is dealing with criticism that it has not done enough to hire and promote women and minorities.

(...) Mr. Damore, who worked on infrastructure for Google’s search product, said he believed that the company’s actions were illegal and that he would "likely be pursuing legal action." "I have a legal right to express my concerns about the terms and conditions of my working environment and to bring up potentially illegal behavior, which is what my document does," Mr. Damore said.


Aus der Washington Post erfährt man:

Yonatan Zunger, a former Google executive who wrote a widely read post about the memo published on the platform Medium, addressed the memo's author by saying "do you understand that at this point, I could not in good conscience assign anyone to work with you?" he wrote. "I certainly couldn’t assign any women to deal with this, a good number of the people you might have to work with may simply punch you in the face, and even if there were a group of like-minded individuals I could put you with, nobody would be able to collaborate with them."


Hat James Damore nun Recht mit seiner Behauptung, dass es an biologischen Unterschieden statt Diskriminierung liegt, wenn sich weniger Frauen in technischen Berufen finden? Die Debatte darüber wird durch Ausgrenzung und andere soziale Sanktionen weiterhin unterbunden.

Der Umgang mit Damore erinnert an den Fall von Professor Lawrence Summers, ehemals Präsident der amerikanischen Elite-Universität Harvard. Im Januar 2005 hielt Summers bei einer Wissenschaftskonferenz eine Rede über die Frage, woran es liege, dass Frauen in den oberen universitären Rängen der Naturwissenschaften sowie der Mathematik unterrepräsentiert seien. Bei den denkbaren Gründen verwarf er zunächst Diskriminierung, weil das bedeuten würde, dass eine Universität, die Frauen nicht benachteiligte, im Wettbewerb davonziehen könnte, indem sie schlicht jene Top-Akademikerinnen anheuerte, die anderswo diskriminiert wurden. Übrig blieben als mögliche Gründe, dass Frauen weniger bereit seien als Männer, sich einer 80-Stunden-Arbeitswoche ohne jede eigene Flexibilität zu unterwerfen sowie dass Frauen aufgrund angeborener Eigenschaften weniger Zugang zu Mathematik und Naturwissenschaften finden als Männer (aber dafür z. B. sprachlich begabter sind), was auch aufgrund verschiedener Forschungsergebnisse belegt sei. Mehrere Feministinnen waren so außer sich über Summers Meinungsäußerung, dass sie seine Entlassung durchsetzten.

Menschen mit politisch unerwünschten Auffassungen werden heutzutage einfach beseitigt.

Zu dieser Unfähigkeit einiger, abweichende Meinungen auszuhalten, gibt es einen aktuellen Beitrag im "Spektrum der Wissenschaft": "Warum wir etwas nicht glauben, das uns nicht passt."

Eine Reihe von Belegen, die die Auffassung des gefeuerten Google-Mitarbeiters stützen, findet man bei "Alles Evolution". Aber natürlich würden Argumente nur eine Rolle spielen, wenn die Möglichkeit einer offenen Sachdebatte noch gegeben wäre. Vor diesem Hintergrund bewertet die liberale Feministin Cathy Young die Kontroverse so:

#GoogleManifesto reactions should dispel any notion that progressives are any more rational or fact-based than the trumpiest of Trumplings.




3. Aus einer Besprechung der neuen "Game-of-Thrones"-Folge erfährt man mehr über die Befindlichkeit von Feministinnen im Jahr 2017:

Half a season ago (...), folks were arguing that "Dragonstone" was the most feminist episode in GOT history. Why? Well, mostly because Arya slaughtered an entire castle full of men in one go. My personal take is that ye olde poison-the-wine trick didn’t make a feminist statement, it just proved that we’re all so hungry for vengeance that we cheer when a young girl feeds some dude his sons.

kostenloser Counter