Dienstag, September 08, 2015

Erste Reaktionen auf das Gendertalk-Remake bei "Hart aber fair"

Die einzige Übereinstimmung der bis jetzt online gegangenen Beiträge zum Plasberg-Talk von gestern Abend ist das Urteil, dass es sich um eine Pleite handelte. Davon abgesehen ist das Meinungsspektrum groß:

In der Berliner Morgenpost findet Felix Müller die Kritik der Beschwerdeführerin und Frauenrats-Funktionärin Sybille Mattfeldt-Kloth erstaunlich, in der März-Sendung sei der Gleichberechtigungsgrundsatz verletzt worden. Schließlich seien Frauen in der fraglichen Folge in der Mehrheit gewesen. Immerhin aber habe unter allen Teilnehmern des Talks von gestern Abend Übereinstimmung darüber geherrscht, dass es eine Gerechtigkeitslücke in der gesellschaftlichen Behandlung von Männern und Frauen gebe.

Beim Focus amüsiert sich Gregor Dolak darüber, dass Sybille Mattfeldt-Kloth einerseits mangelndes Niveau der früheren Sendung beklagt hatte, sich aber andererseits selbst vor allem durch Stutenbissigkeit auszeichnete. Am Ende der Sendung bleibe das herrliche Gefühl, einmal von all den ernsteren Themen dieses Sommers eine Auszeit erhalten zu haben.

Arno Frank spöttelt auf Spiegel-Online, dass die Sendung das wichtige Thema um "mindestens sechs Monate" zurückgeworfen habe und bedauert, dass man Anne Wizorek nie ausreden ließ. Der Frauenrats-Funktionärin attestiert er eine beschwipste Rechtschaffenheit, Anton Hofreiter Überforderung von den Mühen des Themas: "Wenn 'eine Frau Bundeskanzler wird', ist das tatsächlich auf das 'kritische Hinterfragen von Konventionen' sozial konstruierter Geschlechtlichkeit zurückzuführen?" Überraschenderweise seien "aus dem Lager der Konservativen die zwingenderen Argumente für einen radikalen Feminismus" gekommen – vor allem von Birgit Kelle, bei der es nicht weiter aufgefallen wäre, "hätte sie auf dem Tisch hübsch gerahmte Fotos ihrer Kinder aufgestellt."

Auf Frank Lübberding, Frankfurter Allgemeine, wirkten die Gäste angesichts der Forderung, alten Streit neu aufzuwärmen, etwas ermattet. Dass Frau Mattfeldt-Kloth einerseits behauptete, keinen politischen Druck ausüben zu wollen, andererseits in der Sendung vom März allen Ernstes einen "Grundrechteverstoß" sah, sieht Lübberding kritisch:

Noch schlimmer war es allerdings, dass Frau Mattfeldt-Kloth diese Argumentation als Selbstverständlichkeit betrachtete. Sie wollte damit ihre Harmlosigkeit begründen. Es ging somit nicht um die Kritik an der Sendung. Vielmehr war damit der Versuch verbunden, alle anderen Sichtweisen aus einem Diskurs zu verbannen, der nicht der eigenen kruden Interpretation des Grundgesetzes entspricht. (...) Natürlich dürfen die von ihr kritisierten Gäste weiterhin ihre Meinung sagen, aber eben nicht mehr im WDR. Der bleibt anschließend jenen vorbehalten, die den Deutschen erklären, wie sie zum Thema Gleichberechtigung zu denken haben. Es geht Frau Mattfeldt-Kloth um die Abschaffung des Meinungsstreits im Namen der Frauenemanzipation. So nannte sie die Löschung der Sendung "erstaunlich". Der Erfolg ihrer Bemühungen hatte sie wohl selbst überrascht.


Für Sidney Schering beim Quotenmeter stellte die Rückrunde das Mindeste dar, womit der WDR auf die feministischen Proteste hätte reagieren sollen: "Endlich Zeit, um Fehler einzugestehen. Um eine Entschuldigung zu erbitten." Aber ach – der Kniefall Plasbergs gerät Schering nicht demütig genug, und diese doofe Thomalla kommt schon wieder zu Wort, wobei sie immerhin dazugelernt habe: "Anders als noch in der ersten Ausgabe zu dem Thema sieht sie nun ein, dass es einen Pay Gap gibt, und dieser überwunden werden muss." Dies jedoch sei "kein kompetenter Beitrag, sondern eine Sache, die selbstverständlich sein sollte."

Alexander Krel bezeichnet den Plasberg-Talk auf DWDL.de als "Gruppentherapie", bei der sich die Teilnehmer selbst wichtiger nahmen als die strittigen Fragen. Immerhin sei die Vertreterin des Landesfrauenrats durch ihre Provokationen eine Bereicherung gewesen: "So habe es damals an sachlicher Kompetenz gemangelt, sagte sie inmitten aller damaligen Diskutanten - ganz so, als habe alleine sie das Wissen über die Gleichstellung von Mann und Frau gepachtet."

In der Kommentarspalte bei Christian Schmidt sorgten die Diskussionsbeiträge von Birgit Kelle für Kritik. "Das war ein interessanter Moment: Birgit Kelle überholt die grosse Vorsitzende auf der feministischen Überholspur" findet "Alex", worauf "Nick" erwidert: "Der Wer-beschützt-die-Frauen-am-besten–Wettbewerb. Es war vorhersehbar." Der Kommentator "Teardown" hält fest: "Krasse Scheiße ... 0 (in Worten Null) Sendezeit über Benachteiligungen oder Problemlagen von Männern gesprochen." Für Ärger sorgte auch, dass die Behauptung eines Gender-Pay-Gaps von acht Prozent nicht als falsch aufgedeckt wurde, und das in unseren Leitmedien traditionelle Männerbashing zum Ausklang von Plasbergs Talk.

Stefan Winterbauer findet es auf Meedia auch nach dem neuen Talk mit Gästen wie "Stress-Braut" Wizorek und "Aggro-Mum" Kelle schwer zu sagen, ob "dieser ganze Genderkram jetzt kompletter Quatsch oder wahnsinnig wichtig" sei und schlägt vor, das Thema in einer dritten Sendung zu vertiefen: "Kubicki kann bleiben, die Frau mit dem Doppelnamen auch. Die war lustig. Und noch unbedingt diesen Biologie-Professor aus Kassel einladen, der sagt, dass Männer bloß doofe Frauen wollen, die gut aussehen und kochen können."

kostenloser Counter