Sonntag, April 26, 2015

Thomas Gesterkamp sieht sich als Opfer

Über die Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung, über die Hadmut Danisch berichtete, berichtet jetzt auch der Watch-Salon des Journalistinnenbundes – natürlich mit einer ganz anderen Färbung. So heißt es in dem Artikel:

Die Zunge an die Tischkante zu nageln mutet wie eine mittelalterliche Methode an, um Frauen zum Schweigen zu bringen. Die britische Journalistin Caroline Criado-Perez hat das krasse Bild gewählt, um ihren Vortrag in der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Hassattacken gegen Feministinnen im Internet zu illustrieren. Denn kaum wagt eine Frau - und gelegentlich auch ein Mann - sich zu Geschlechterverhältnissen in einem Blog, auf Facebook, Twitter oder anderen Social-Media-Kanälen zu äußern, wird sie mit Hass und Häme überschüttet - mit einem einzigen Ziel: Halt die Klappe. (...) Maskulisten und sogenannte Männerrechtler lauern nur darauf, jederzeit loszuschlagen. Auch die Twitter-Timeline der Tagung unter dem Hashtag #netzgender hatten sie im Laufe des Tages entdeckt und dort ihren üblichen Verleumdungsmüll abgeladen. (...) Der Journalist Thomas Gesterkamp stellte eindrücklich dar, wie die Verleumdungskampagnen gravierende Spuren in seiner Online-Reputation hinterlassen haben. Mit seiner Untersuchung über Männerrechtler und den Geschlechterkampf von rechts im Auftrag der FES ging das so richtig los.


Thomas Gesterkamp in einen Zusammenhang mit "Verleumdungsmüll" zu erwähnen ist nun nicht grundsätzlich falsch ... Allerdings darf man sich schon fragen, ob hier nicht wieder einmal Opfer und Täter vertauscht werden.

In der von ihm veröffentlichten Kampfschrift (vom Journalistinnenbund als "Untersuchung" bezeichnet) rückte Gesterkamp vom Väteraufbruch für Kinder bis zum Deutschlandradio, vom FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher bis zu Wissenschaftlern wie dem Arzt und Psychoanalytiker Professor Matthias Franz, etliche Personen und Institutionen in den rechten bis rechtsradikalen Raum. Wo Differenzierung vonnöten gewesen wäre, wurde von Gesterkamp pauschalisiert. Dabei fehlte in seiner Schrift für die Mehrheit der Behauptungen, ja selbst für wörtliche Zitate, in frappierender Weise jeder Beleg – so etwa als Genderama allen Ernstes die Verlinkung rechtsextremer Seiten unterstellt wurde.

Monika Ebeling, beim Erscheinen von Gesterkamps Polemik noch Gleichstellungsbeauftragte, berichtete über die Auswirkungen dieser Schrift: "Diese kleine Broschüre (...) ist dann in Windeseile in den bundesweiten und regionalen Frauennetzwerken verteilt worden. (...) Die Broschüre lag auf den Tischen auf der Bundestagung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Wuppertal aus, und es wurde gezielt vom Podium darauf hingewiesen". Das Motto lautete: "Nehmt bloß keinen Kontakt mit diesen 'Männerbünden' auf." Ebeling berichtet weiter: "Man konnte den erhobenen Zeigefinger hinter diesen Worten deutlich spüren, und es schwang auch etwas Ängstlichkeit mit. Ratzfatz war das Pamphlet von der Bundestagung der Gleichstellungsbeauftragten in die Landeskonferenzen gelangt und kurz darauf in die regionalen Frauennetzwerke gewandert." Dass Ebeling keine Unterstützung bekam, nachdem sie wegen ihres Engagements für Jungen und Männer erst ihr Amt und dann ihren Job verlor, führt sie auch auf die verheerende Wirkung dieser Schrift zurück. So konnte sich nach der Lektüre von Gesterkamps Pamphlet keine ihrer Kolleginnen zur Solidarität mit Ebeling bereit finden, alle waren mit ihrer Behandlung einverstanden und alle begründeten das mit Gesterkamps Diffamierungen. Der gerade erst beginnende Aufbruch zu einer Geschlechterdebatte ohne einseitige Schuldzuweisungen, auf dem über die Diskriminierungserfahrungen beider Geschlechter gesprochen werden konnte, war so wieder zum Stillstand gebracht worden.

Wie sahen nun die online und offline veröffentlichten Reaktionen auf Gesterkamps Schrift aus, die Christine Olderdissen für den Journalistinnenbund mit "Hass" und "Häme" in Verbindung bringt? Folgendermaßen:

Der renommierte Männerforscher und Soziologe Professor Walter Hollstein urteilte in einem Artikel für die Welt, der später in ähnlicher Weise auch in ein Fachbuch über die Jungenkrise Eingang fand:

Inzwischen ist die Situation so weit gediehen, dass eine kritische Auseinandersetzung mit feministischen Postulaten schon als undemokratisch, rechtslastig und der political correctness widersprechend diffamiert wird. (...) Angepriesen wird das Dokument von der Friedrich-Ebert-Stiftung als 'Expertise', das heißt zu Deutsch: wissenschaftliches Gutachten. Dessen Standards scheinen dem Autor Gesterkamp aber gänzlich fremd zu sein. Weder belegt er, wie er im Einzelnen zu seinen Daten und Ergebnissen gekommen ist, noch legt er irgendwelche Auswahlprinzipien für seine Untersuchung vor. Methodische Überlegungen hält er für überflüssig, und inhaltlich setzt er sich nicht einmal ansatzweise mit den Argumenten und Positionen der attackierten Publizisten, Wissenschaftler oder Institutionen auseinander. Stattdessen verunglimpft und denunziert er. Dazu passt, dass an keiner Stelle definiert wird, was nun 'rechts' 'rechts-extrem' oder 'rechter Geschlechterkampf' eigentlich ist. Besieht man sich genauer, was Gesterkamp alles in einen braunen Sumpf wirft, sind das Autoren, Wissenschaftler und Institutionen, die Vorbehalte gegen den Feminismus geäußert haben. Das aber ist weder ein Sakrileg noch ein Angriff auf das Grundgesetz. Eine solche Kritik – in jeder Hinsicht ja legitim – mit dem perfiden Etikett 'rechts' zu versehen bedeutet nicht nur den öffentlichen Aufruf zu einem Denkverbot, sondern ist darüber hinaus auch eine gefährliche Verniedlichung des wirklichen Rechtsextremismus.


Der Bildungsforscher Michael Klein merkte an:

Quellenkunde und die Kunst des Bibliographierens sind elementare Bestandteile des wissenschaftlichen Arbeitens. Sie sind deshalb elementar, weil das Hauptkriterium einer wissenschaftlichen Arbeit die Nachvollziehbarkeit der darin gemachten Aussagen ist. Nachvollziehbar ist nur, was belegt ist. Thomas Gesterkamp belegt so gut wie nichts. Er füllt Seite um Seite mit Behauptungen darüber, was dieser oder jener gesagt haben soll, da und dort zu lesen sein soll, ohne dass er angibt, woher er sein Wissen nimmt. Er gibt seine Quellen nicht an. Wäre sein Text also als Seminararbeit eingereicht worden, er hätte dafür keinen Schein erhalten.


Matthias Franz und André Karger nehmen in dem von ihnen herausgegebenen wissenschaftlichen Sammelband Neue Männer - muss das sein? Risiken und Perspektiven der heutigen Männerrolle folgendermaßen Stellung:

Männer, die auf problematische Benachteiligungen von Männern hinweisen oder vielleicht sogar das männliche Monopol auf Gewalttätigkeit infrage stellen, müssen mit ausgesprochen heftigen Abwehrreaktionen rechnen. Diese nehmen zuweilen auch unsachlichen oder denunziativen Charakter an. Ein markantes Beispiel hierfür liefert der Publizist Thomas Gesterkamp. Im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung unternimmt er den erstaunlichen Versuch, die enttabuisierende Öffnung des Geschlechterdiskurses aus männlicher Sicht – also auch unter Benennung von Benachteiligungen von Männern – als rechts-restauratives Roll-back zu diffamieren. Dies geschieht auch gegenüber einigen Autoren dieses Buches mittels nicht recherchierter, suggestiver Andeutungen und interessanterweise auch durch die Unterstellung von Homophobie und Frauenfeindlichkeit. Dieses Anathema hat in Deutschland immer noch einen terminierenden Charakter. Es kann als ultimativer Vorwurf völlig belegfrei jede weitere Diskussion zum Thema devaluieren. Ein solches Vorgehen lässt eigentlich nur auf tieferliegende politische oder auch persönliche Motivlagen schließen, die bewusst oder unbewusst diesen spannungsreichen und häufig durch Eigenbetroffenheit gekennzeichneten Diskurs immer auch mitbestimmen. So wird zum Beispiel die empirische Studie Gerhard Amendts auf das bislang zumeist verleugnete weibliche Gewaltpotenzial vielleicht als so bedrohlicher Tabubruch erlebt, dass auch erwachsene Söhne noch in einem loyalen Mutterschutzreflex die Beendigung der Debatte durch schrille Brandmarkungen ('Geschlechterkampf von rechts') herbeizuführen versuchen.


Der renommierte Professor für Staatsrecht Ingo von Münch, Begründer eines Grundgesetz-Kommentars und Verfasser mehrer juristischer Lehrbücher, urteilte: "Wenn rechts als rechtsextrem verortet und entsprechend behandelt wird, ist dies die eine Seite der Medaille. (...) Eine andere Seite der Medaille ist, wenn schon konservativ als rechts interpretiert wird und damit ebenfalls in den Dunstkreis von rechtsextrem gerät." Die Ausgrenzung des Konservativen oder anderer nicht extremistischer Meinungen ziele dabei gegen den Grundgedanken und das Lebensprinzip jeder freiheitlichen Demokratie: "Intendiert ist der Ausschluss einer politischen Meinung aus dem Meinungsspektrum der Gemeinschaft der Zivilgesellschaft. Letztere wird damit zu einem 'closed Shop', zu dem den politisch-ideologisch nicht Angepassten der Zutritt verweigert wird, also ein Meinungsmonopol errichtet wird. Demokratiegefährdend wird eine solche Ausgrenzung ohne Zweifel dann, wenn die Ausgrenzung bis in die politische Mitte ausgreift." In diesem Zusammenhang wendet sich Ingo von Münch explizit dagegen, dass Thomas Gesterkamps in seiner als "Expertise" veröffentlichten Kampfschrift Kritik am Feminismus als "rechts" denunziere: Wenn Gesterkamp hier mit Begriffen wie "Fundamentalismus" hantiere, dann offenbare sich auch "fundamentalistisch" als eines jener Schlagworte, die jede freie Diskussion abwürgen sollen.

Die Diplompsychologin Beate Kricheldorf befand das Abstempeln bekannter Männer- und Väterinitiativen als einen "zweifellos hilflosen und auch dummen Versuch", sich mit ihnen auseinanderzusetzen: "Nach Gesterkamp ist es bereits eine Unverschämtheit, sich mit dem Feminismus überhaupt kritisch zu beschäftigen, geschweige denn, Dinge daran in Frage zu stellen oder gar abzulehnen." Die von ihm betriebene Polarisierung stelle lediglich auf Polemik und Kampf ab und verhindere eine sachliche Diskussion von vornherein. Auf derlei Schützenhelfer "können und wollen emanzipierte Frauen verzichten". Beschimpfungen wie "rechtsradikal" und "neokonservativ" machten "nicht mal wütend", sondern seien "einfach nur ärgerlich und überflüssig".

Monika Ebeling schrieb Gesterkamp in einem offenen Brief, dass ihrer Erfahrung nach der alte Argumente wiederkäuende und in seiner Opferhaltung verharrende Feminismus "von jungen Frauen nicht mehr verstanden, oft nicht mal gebraucht" werde: "Wäre Ihrer Meinung nach Gleichstellung erreicht, wenn das Proletariat männlich, ungebildet und arm und die Führungsetagen weiblich, gebildet und reich sind?" Ebeling führte weiter aus:

Mir hat es nicht gefallen, dass Sie gleich auf der ersten Seite Ihres Textes mit dem braunen Pinsel kommen und diesen im gesamten Verlauf Ihrer Ausführungen nicht mehr aus der Hand fallen lassen. (...) Ihr brauner Pinsel ist kein Beitrag zu einem dringend notwendigen gesellschaftlich-politischen Diskurs, das ist pure Ideologie. (...) Werden hier Wahrheiten ausgesprochen, die für Sie nicht aushaltbar sind?


Dr. Matthias Stiehler, Vorsitzender des Dresdner Instituts für Erwachsenenbildung und Gesundheitswissenschaft, teilte Gesterkamp in einem weiteren offenen Brief mit, er empfände dessen "diffamierende Pauschalisierung" der Männerrechtsbewegung "weder expertisenreif noch nützlich. (...) Sie ideologisieren und versuchen sie damit mundtot zu machen." Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Bewegung sei zwar gut und wichtig. "Aber wenn Sie glauben, diese mit der pauschalen Behauptung, das sei 'Geschlechterkampf von rechts', abtun zu können, dann verlassen Sie die argumentative Ebene und diffamieren. Sie verstehen vielleicht, dass ich als ehemaliger DDR-Bürger sehr empfindlich auf solch eine Propaganda reagiere." Zwar sei es durchaus denkbar, dass sich auch Rechte des Männerthemas bemächtigten. "Aber das bedeutet doch nicht, dass damit alle, die sich gegen Einseitigkeiten in der Geschlechterdiskussion zur Wehr setzen, automatisch rechts sind. Es bedeutet für mich, der ich meine Wurzeln in der linken Bürgerbewegung sehe, vielmehr, dass die linken Institutionen, zu der ich auch die SPD und damit die Friedrich-Ebert-Stiftung zähle, dieses Thema sträflich vernachlässigen." Diese Entwicklung, so Stiehler, sähe er "keineswegs als Sieg der Rechten, sondern als Niederlage der (meiner!) Linken. (...) Eine Expertise, die sich mit dem Männerthema in seinen unterschiedlichen Schattierungen auseinandersetzt, hätte darauf hinweisen müssen, dass sich derzeit an vielerlei Punkten unserer Gesellschaft alte Gewissheiten zu Ideologien verfestigt haben."

Stiehler argumentiert weiter: Es sei keine Schande festzustellen, dass sich inzwischen auch im feministischen Lager "Pfründe entwickelt haben, die mit aller Macht verteidigt werden. Das bedeutet ja nicht gleich, dass Frauenbewegung an sich falsch wäre. Aber ein ideologischer Feminismus ist falsch und konservativ. (...) Ich plädiere daher unbedingt für einen argumentativen Geschlechterdiskurs, der ergebnisoffen ist. (...) Ich plädiere vor allem aber dafür, dass es eine offene Männerdebatte gibt." Falls sich zur mittlerweile stark ideologisierten Kritischen Männerforschung eine ebenso ideologisierte Gegenbewegung entwickle und nach rechts abdrifte, "dann deswegen, weil die Linke beim Männerthema versagt bzw. selbst zu Konservativen werden. Genau dem leisten Sie mit Ihrer Expertise Vorschub. (...) Sie radikalisieren die Debatte und sprechen Denkverbote zu Positionen aus, die ich selbst nicht als rechts ansehen kann. Sehr geehrter Herr Gesterkamp, ich bitte Sie, zum argumentativen Diskurs zurückzukehren."

Bei Thomas Gesterkamp, der Friedrich-Ebert-Stiftung und Christine Olderdissen scheinen all diese Versuche, endlich zu einem konstruktiven Diskurs zu gelangen, folgendermaßen wahrgenommen und verarbeitet zu werden:

die Zunge an die Tischkante nageln


zum Schweigen bringen


Hassattacken


Hass und Häme


lauern nur darauf, jederzeit loszuschlagen


Halt die Klappe


üblichen Verleumdungsmüll


Verleumdungskampagnen


ging das so richtig los


Gesterkamps engagiertes Bestreben, jede Debatte mit Männerrechtlern zu unterbinden, indem er diese als vollkommen unsäglich und monströs karikiert, setzt Christine Olderdissen mit derselben Radikalität fort. Und auch Christine Olderdissen scheint nicht einmal im Ansatz zu reflektieren, dass ihr eigener Text von weit größerer Aggression und Denunzierung geprägt ist als die Texte, über die sich so ereifert. Dass, wie Olderdissen auch berichtet, die FES-Tagung "keine Strategien zum Umgang mit hasserfüllten Kommentaren" entwickeln konnte, verwundert nicht.

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