Freitag, März 06, 2015

Was deutsche Medien verschweigen: Diskriminierung von Jungen nimmt dramatisch zu

So berichten deutsche Medien wie Spiegel-Online über eine aktuelle Bildungsstudie der OECD:

Lineare Gleichungssysteme, Geometrie oder Stochastik machen Mädchen oft weniger Spaß als Jungen. Besonders in Deutschland sind viele Mädchen Mathe-Muffel. Die Abneigung gegen Mathematik beeinflusst auch die Karrierechancen von Mädchen, wie aus dem ersten Bildungsbericht zur Chancengleichheit der Geschlechter von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht.

Bei der Einstellung zu naturwissenschaftlich-technischen Berufen gebe es in Deutschland enorme Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen, berichtete OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher. Dies sei problematisch, weil es Berufe im mathematisch-technisch-naturwissenschaftlichen Bereich sind, "die zu den bestbezahlten Karrieren führen".


Mit diesem Schwerpunkt geht es über den gesamten Artikel hinweg weiter. Erst im letzten Absatz erwähnt Spiegel-Online kurz die eigentlichen dramatischen Erkenntnisse der Studie:

Dabei sind Mädchen meist die besseren Schülerinnen: Von der Gesamtheit der besonders leistungsschwachen Schüler in Lesen, Mathe und Naturwissenschaften sind 60 Prozent männlich. Bei ihnen gibt es auch ein höheres Risiko, die Schule abzubrechen. Laut OECD ist es daher besonders wichtig, die Lesefähigkeiten der Jungen zu verbessern.


Dabei ist Spiegel-Online mit dieser minimalen Erwähnung der sich verschlimmernden Jungenkrise fast noch der Goldstandard. In einer dpa-Meldung, die unter anderem von meiner Lokalzeitung übernommen wurde, geht es ausschließlich um die Probleme von Mädchen in Mathe, und die insgesamt schlechtere Situation von Jungen fällt komplett unter den Tisch. Was in beiden Artikeln unter den Tisch fällt, ist, dass Mädchen nicht von Natur aus "die besseren Schülerinnen" sind, sondern dass dies aufgrund von Diskriminierung geschieht.

Journalisten wie Cordt Schnibben würden hier darauf hinweisen, dass doch alle im Artikel genannten Behauptungen zutreffen, und argumentieren, dass dies beweise, wie gut die deutschen Medien ihre Aufgabe wahrnähmen. Verheerend ist aber, dass über zentrale Problemfelder erst gar nicht berichtet wird, wenn sie quer zu der Ideologie stehen, die deutsche Leitmedien so gerne unterstützen.

Im Ausland sieht es etwas anders aus.

Clever girls, stupid boys? titelt etwa die britische BBC. Der Artikel verrät (natürlich mit Bezug auf britische Verhältnisse), was die Medien hierzulande verschweigen:

The gap is so great that the UK's university admissions authority has warned that being male could soon be seen as a new form of social disadvantage.

In the UK, the gender gap between men and women entering university has never been wider. In a remarkable statistic from the Ucas admissions service, the gap is more than 50% in a quarter of parliamentary constituencies. And no doubt this disparity will play out over future generations.

But hold that bandwagon there. Because a global study from the OECD, based on more than 60 countries, has thrown up some very interesting challenges to generalisations about girls always doing better than boys.

First of all, it suggests that school systems give greater rewards to girls rather than boys, even when pupils are of similar ability.

Teachers are more likely to "mark up" girls' work, says the study. It suggests that this leniency in marking is an unacknowledged reward for girls being more school-friendly.

Girls are more likely to be better behaved, more likely to get homework finished, less negative about going to school. And even when boys' work is just as good, the higher grade is more likely to go to a girl.

(...) Among the lowest achievers, boys predominate. It's an international pattern, with boys much more likely to be among those who get the worst results, drop out and leave education unskilled and poorly qualified.


Dass Lehrerinnen Mädchen gegenüber Jungen mit gleichwertigen Kompetenzen bessere Noten geben, ist der BBC einen eigenen Artikel wert. In der Männerbewegung ist dieses Wissen aufgrund früherer Studien weit verbreitet. Aber wenn ich mit Leuten außerhalb unserer Bewegung darüber diskutiere, erhalte ich misstrauische Reaktionen wie "Das hab ich ja noch nie gehört ..."

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