Mittwoch, März 05, 2014

Lesermail (Genitalverstümmelung in der Cosmopolitan)

Einer meiner Leser schreibt mir:

Ich lese Ihren Blog nun seit gut einem Jahr. Und es ist inzwischen zur Routine geworden, alle 1-2 Tage hineinzuschauen, um bei dem auf dem Stand zu bleiben, was seit dem Beschneidungs-Gesetz für mich zum zentralen Interesse geworden ist: Diskriminierung von Männern. Es mag seltsam klingen, aber als Ingenieur und Nerd mit einem überwiegend männlichen Freundeskreis ist mir Männerdiskriminierung nie bewusst gewesen. Kein Wunder, versuchen die Medien doch seit Jahrzehnten ein völlig falsches Bild zu zeichnen. Und wenn man wenig bis gar nichts mit Frauen zu tun hatte, sind die Benachteiligungen nicht so offensichtlich.

Um auf den Punkt zu kommen: Wie der Zufall es will, hat mich das Thema Beschneidung wieder eingeholt, doch das ist nicht der Punkt, warum ich deswegen meine erste Lesermail schreibe, sondern weil ich zugegebenermaßen darüber verwundert bin, dass die Sensibilisierung für Männerdiskriminierung scheinbar weiter ist, als von mir gedacht.

Ich bin da nämlich auf einen Artikel der Cosmopolitan gestoßen, der an und für sich nicht weiter bemerkenswert ist, zumal es lediglich um eine ziemlich konstruierte Liste an Punkten geht, unter welchen Umständen eine Frau einem Mann einen "Blowjob" verweigern sollte. Im Grunde kann man alle Begründungen zusammenfassen mit: "Wenn sie nicht will". Was ja völlig in Ordnung ist. Aber um der ganzen Sache etwas Pepp zu verleihen hat sich die Autorin ein paar Begründungen ausgedacht, um diesen einfachen Zusammenhang mit (anscheinend notwendigen) Begründungen zu unterfüttern. Und bei einer der Begründung hat die Verfasserin des Artikels anscheinend einen Nerv getroffen.

Es gab da nämlich einen Punkt, der bei den Kommentatoren geradezu einen Shitstorm ausgelöst hat, der so heftig ausfiel, dass sich Cosmopolitan dazu entschloss, diesen Punkt nachträglich abzuändern. Diesen Punkt kann man allerdings anhand der Kommentare recht gut rekonstruieren.

Der abgeänderte Punkt dürfte höchstwahrscheinlich wie folgt lauten: "6. It’s uncircumcised and it freaks you out. You are under no obligation to put your mouth on a penis that you regard as alien and unusual in any way."

Der am höchsten bewertete Kommentar lautet wie folgt: "So uncircumcised = Alien?? wtf Cosmo you are being ridiculous. Just FYI, uncircumcised is actually the natural way men are born. Seems you flunked anatomy class."

Bemerkenswert beim Durchlesen der Kommentare fand ich, dass sich viele der Kommentare so lesen, als stammen sie von einer Reihe Männerrechtler, wenn man mal ihre Heftigkeit betrachtet, mit der sie gegen die diskriminierende Denkweise der Autorin angehen. Und doch scheinen es "normale" Leute zu sein, sogar viele Frauen darunter, die mit einer Selbstverständlichkeit ihre Argumente vorbringen, als wäre es Allgemeinwissen, wo ich doch genau weiss, dass "selbst in Deutschland" ich nur wenige Leute mit so einer vom Mainstream unberührten Einstellung treffen würde. Beim Durchlesen der Kommentare fühlt es sich so an, als wären in Amerika (ich vermute einfach mal, dass viele Kommentare von dort kommen) zumindest die Bürger über diesen barbarischen Brauch längst hinweg und alle auf wunderbarer Weise aufgeklärt und von den Lügen und Verwirrungen der Beschneidungsbefürworter befreit.

Kann es sein, dass sich schon längst einiges bei der Bevölkerung tut und es nur deshalb nicht an die Oberfläche der Allgemeinheit gedrungen ist, weil ein paar wenige immer noch den Medien diktieren, welche Ansichten darzustellen sind?

Dies, oder Cosmopolitan-Leser sind besonders aufgeklärt. Ich weiss es nicht. Doch irgendwie stimmt mich zumindest diese Sache recht froh und zuversichtlich. Dieses Jahr wird immer interessanter ...


Tatsächlich wurde der Cosmo-Artikel inzwischen durch einen redaktionellen Kommentar ergänzt, der klarstellt, dass auch fehlende Genitalverstümmelung kein Grund sei, Oralsex zu verweigern. Und schließlich legte die Cosmo mit einem weiteren Artikel nach: Warum Frauen wegen unbeschnittener Penisse nicht ausflippen sollten.

Dennoch bleibt das maskulistische Blog "Toy Soldiers" mit dem Verhalten der Cosmopolitan unzufrieden:

Unless English reads differently for the editors at Cosmo than it does for everyone else, the sixth item is still on a list of reasons not to give oral sex to men, and "improved" version still treats the lack of circumcision as a legitimate reason not to perform oral sex. Again, can anyone imagine the response if a man declared that he did not want to perform oral sex on a woman because she did not change the natural state of her body to suit his desire?

kostenloser Counter