Donnerstag, November 21, 2013

Lesermail (Karola Stange warnt vor der "Männerflut")

Genderama-Leser Erik B. fragt mich nach meiner Einschätzung:

Sehr geehrter Herr Hoffmann,

mir kommt diese Pressemitteilung der Linken aus dem Thüringischen Landtag extrem nickelig und männerfeindlich vor. Das Zitat "Meines Erachtens muss Frau Arenhövel aufpassen, dass sie nicht auch von der Männerflut weggespült wird" ist meines Erachtens durchaus mit der "Asylantenflut" zu vergleichen, von der die NPD gern redet. Auf die weiteren Aussagen, wie daß das Geschlecht über jedem Sachverstand zu stehen hat, muß man wohl nicht weiter eingehen.

Was meinen Sie, bin ich da zu sensibilisiert und empfindlich, vor allem was die "Flut" angeht? Oder können Sie meinen Eindruck nachvollziehen?


Bis zu einem gewissen Punkt ja. Wir sind uns einig darüber, dass diese Presseerklärung daneben ist. Eine gewisse Nähe zu Formulierungen rechter Parteien ist vorhanden, aber durch den unterschiedlichen Kontext gibt auch Unterschiede, die nicht unwichtig sind.

Vor allem in den neunziger Jahren verwendeten nicht nur rechtsextreme, sondern auch konservative Politiker und Journalisten, wenn sie auf Flüchtlinge Bezug nahmen, mitunter Begriffe wie "Asylantenflut", auch schon mal "Asylantenspringflut" usw. Menschen, die in der Regel nichts Schlimmeres getan hatten, als sich von ihrem Heimatland auf den Weg nach Deutschland zu machen und hier Asyl zu beantragen, wurden so bildlich zu einer Naturkatastrophe erklärt (es gab auch entsprechende Zeichnungen und Karikaturen), die hiesige Einwohner massiv bedrohte, was in so manchen, die ständig solche Begriffe hörten und lasen, den Eindruck erzeugen konnte, dass hier auch massive "Gegenwehr" notwendig war. Kurz nach dieser Berichterstattung kam es zu pogromartigen Ausschreitungen, die zu mehreren Toten führten. Während man nie nachweisen können wird, welchen Anteil die geschilderte Panikmache an solchen Ausschreitungen hatte, liegt der Verdacht nahe, dass sie einiges Öl in ein entsprechend aufgeheiztes Klima schüttete.

Die Äußerungen aus den Reihen der Linken stehen sichtlich in einem anderen Kontext. Hier müssen die Männer, über die so gesprochen wird, keine Angst haben, dass zum Beispiel ihre Häuser angezündet werden. Die Diffamierung ist insofern weniger bedrohlich. Die sprachliche Funktion des Begriffes "Männerflut" ist aber ähnlich: Männer werden im alarmistischen Tonfall nicht als Individuen und auch nicht als Bereicherung und Diversität, sondern als Bedrohung dargestellt, die eine Frau "wegspülen", sie also beruflich vernichten können. Die offenbar beabsichtigte Wirkung ist ebenfalls ähnlich: "Zieht die Dämme hoch, sonst passiert etwas ganz Schlimmes!" Würden seriöse Männerrechtler von "gelebter Geschlechterdiskriminierung" sprechen, nur weil zwei bislang von Männern besetzte Posten jetzt für Frauen vorgesehen sind? Muss man wirklich eine "Männerflut" befürchten, weil sich nun auch Männer auf den Posten der Gleichstellungsbeauftragten bewerben können? Die hier gezeigte Hysterie und die Ausgrenzungsversuche erinnern in der Tat an rechte Sprücheklopfer, auch wenn sich all das in einem weit harmloseren Rahmen abspielt und der Fehltritt Karola Stanges insofern weniger schwer wiegt. Ihre Sprache ist allerdings Teil einer allgemeinen, inzwischen massiv sexistischen Stimmung, die beständig die Botschaft transportiert: Männer sind bedrohlich, Männer stören, um Männer muss man sich weniger kümmern und so weiter. Diese Stimmung wiederum trägt vermutlich dazu bei, dass Männeranliegen, bei denen es ebenfalls um Leben und Tod gehen kann (Gesundheitsversorgung, Selbstmorde, häusliche Gewalt etc.), weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der Schaden entsteht dann nicht wie bei den Flüchtlingen durch Handeln wie Brandstiftung und Ermorden, sondern durch Unterlassen. Ein konstruktives Miteinander der Geschlechter wird durch solches extremistisches Gepolter torpediert.

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