Dienstag, September 22, 2009

Fünf Jahre Genderama – wenn es am schönsten ist, soll man aufhören

Heute vor fünf Jahren ging der erste Beitrag in diesem Blog online. Inzwischen hat es stark an Bekanntheit stark gewonnen - bis hin zu Erwähnungen im FOCUS und im "Freitag". Jetzt habe ich mich dazu entschlossen, dieses Blog bis auf weiteres ruhen zu lassen.

Der Hauptgrund ist naheliegend, wenn man weiß, was für ein Arbeitsaufwand mit diesem Blog verbunden ist. Genderama ist meines Wissens das einzige deutsche Blog, das über Jahre hinweg von einem einzelnen Autor und ohne jegliches finanzielle Backing geführt wurde und dabei über eine lange Zeit hinweg bis zu sieben Beiträge pro Tag veröffentlichte (wobei der Rekord allerdings bei 12 Einträgen liegt). Ich habe das zwar in jüngster Vergangenheit zurückgefahren, aber der Aufwand ist immer noch größer, als man sich das als Leser vermutlich denkt. Da ich es mir zur Aufgabe gemacht habe, hier interessante News so schnell und so richtig wie möglich zu veröffentlichen, fand hier praktisch eine Dauerrecherche an jedem einzelnen Tag in der Woche statt, 365 Tage im Jahr – auch an Tagen, an denen ich schließlich feststellte, dass es nichts Interessantes zu berichten gab also keine Beiträge veröffentlicht wurden. An Feiertagen war ich ebenso aktiv wie an Krankheitstagen, Tagen mit aufwändigen Zahnoperationen – lediglich als einmal mein PC crashte, gab es einige Tage Pause.

Neben der Recherche nimmt auch das kontinuierliche Beantworten von Lesermails einiges an Zeit in Anspruch. Täglich erreichen mich die unterschiedlichsten Anfragen per Mail oder Telefon, nicht zuletzt weil es wenig andere Anlauf- und Informationsmöglichkeiten für männerpolitische Fragen gibt. Mit der Zahl der Genderama-Leser ist auch die Zahl solcher Mailanfragen stark gestiegen.

Das alles war fünf Jahre lang auch gut zu leisten. Nachdem ich inzwischen aber bei mehreren großen Publikumsverlagen veröffentliche, sind auch in meinem direkt beruflichen Bereich die zeitlichen Anforderungen stark gewachsen. Damit lässt sich aber die kontinuierliche Arbeit an einem Newsblog immer schwerer vereinbaren.

Ein zweiter Grund ist, dass ich nach fünf Jahren des täglichen Recherchierens zu ein und demselben Thema dieser Sache doch allmählich überdrüssig geworden bin, zumindest was die kontinuierliche Beschäftigung damit angeht. Eine Auszeit täte mir sehr gut. Und drittens habe ich den Eindruck, dass ich, wenn man einmal von rasanten Entwicklungen wie denen in der letzten Woche absieht, jedes Unterthema schon zigfach durchgekaspert habe. Wie oft soll man noch berichten, dass schon wieder eine neue Studie vorgelegt wurde, der zufolge häusliche Gewalt gleich häufig oder gar häufiger von Frauen ausgeht? Wie oft soll man auf Artikel von Journalisten hinweisen, die über Zusammenhänge schreiben, von denen sie offenkundig wenig Ahnung haben? Immer größer wird auch die Informationskluft zwischen alten und neuen Lesern dieses Blogs: Während man den neuen erst mal umständlich erklären muss, dass Frauen für gleichwertige Arbeit keineswegs 23 Prozent weniger als Männer verdienen, obwohl zig Journalisten und Politiker dieses Märchen voneinander übernehmen, wird für die alten Hasen die 180ste Erklärung allmählich doch etwas öde.

Hat sich in den letzten fünf Jahren überhaupt etwas für Jungen und Männer zum Besseren gewandelt? Wenn ich auf den ersten Artikel schaue, den ich in meinem Blog verlinkt habe, dann wohl eher nicht. Er endete damals mit dem Absatz:

Dabei sei es höchste Zeit, endlich "Männer- und Jungenreferate in den Ministerien auf Länder- und auf Bundesebene zu etablieren", fordert Wanielik. "Belange von Jungen und Männern müssen von männlicher Seite vertreten werden." Ministerin Schmidt zeigte sich zumindest gestern noch optimistisch. Ihr werde schon noch etwas für die Männer einfallen, sagte sie und verließ den Saal.


Bekanntlich gibt es bis heute keine Männer- und Jungenreferate in den Ministerien. Der damaligen Frauenministerin Renate Schmidt ist nichts für die Jungen und Männer eingefallen. Und ihre Nachfolgerin, Ursula von der Leyen, macht keinen Hehl daraus, dass sie daran auch nicht das geringste Interesse hat: "Ich finde es nicht schlimm, dass Mädchen in Sachen Bildung an den Jungen vorbeiziehen. Wären die Zahlen anders herum, würde kein Hahn danach krähen." Das erklärte sie ungerührt nach jahrzehntelanger, milliardenschwerer Mädchen- und Frauenförderung, und niemand im ach so patriarchalen Berliner Politikbetrieb störte sich daran.

Andererseits genügt schon ein Blick auf die Artikel der letzten Woche um zu erkennen, dass sich in den letzten fünf Jahren doch einiges getan hat. Mein wesentliches Zwischenziel war es, auch mit diesem Blog dazu beizutragen, dass der sogenannte "lace curtain" in unseren Medien endlich aufgerissen wird – jener Vorhang, der jahrzehntelang verhinderte, dass über die Benachteiligung von Jungen und Männern auch nur mit einer Silbe berichtet wurde. Natürlich würden auch heute noch etliche Journalisten lieber unter Qualen sterben, als sich von ihrer Fixierung allein auf die Probleme der Frauen zu lösen. Aber die ersten Schritte sind gemacht. Selbst dass es in Deutschland mittlerweile eine Männerrechtsbewegung gibt, sollte dank FOCUS & Co. allmählich bekannt geworden sein.

Natürlich werde ich mich nicht dauerhaft aus der Männerbewegung zurückziehen, sondern lediglich weniger zeitintensive Möglichkeiten als das Dauerbloggen suchen. Wenn es aus unseren Reihen, beispielsweise aus dem Kreis der Niersteiner Sieben, Neuigkeiten gibt, die für die Allgemeinheit interessant sind, werde ich vermutlich in meinem bisherigen Zweitblog darüber berichten (und wenn es besonders eilige Meldungen sind zum Beispiel im Forum von MANNdat.) Und natürlich wird es immer wieder neue Bücher von mir zum Männerthema geben. Als nächstes erscheint bei Heyne "Eine Frage der Größe", ein auf das Massenpublikum ausgerichtetes unterhaltsames Sachbuch über Männersexualität – in das allerdings ebenso viel Recherche eingegangen ist wie in meine anderen Bücher und das mit so einigen männerfeindlichen Klischees und Vorurteilen in diesem Bereich aufräumen wird. Wer Genderama mochte, wird auch dieses Buch mögen.

Zuletzt möchte ich ganz besonders den zahllosen Genderama-Lesern danken, die mich per Mail immer wieder mit Hinweisen auf interessante Meldungen aufmerksam gemacht haben. Ich habe irgendwann aufgehört, jedesmal anzumerken, dass ein bestimmter Genderama-Beitrag einer Lesermail zu verdanken war, aber die Unterstützung blieb kontinuierlich stark. Erfreulicherweise hat auch kaum ein Leser geschmollt, wenn ich einen seiner Hinweise nicht verwertete (beispielsweise weil ich fand, dass ich bestimmte Aspekte ohnehin schon bis zur Schmerzgrenze behandelt hatte, oder weil ich Artikel über diverse Untaten einzelner Frauen, beispielsweise einer Mutter, die ihr Kind tötete, nur in besonders begründeten Aunahmefällen gebracht habe, weil diese eine Debatte um Männerrechte nur begrenzt voranbringen). Was besonders fleißige Mitarbeit und auch anderweitig starke Unterstützung meines Blogs angeht, richte ich hier einen besonders herzlichen Gruß an meine außerordentlich engagierten Leser in der Schweiz.

Aber natürlich danke ich jedem einzelnen Leser, der auf welche Weise auch immer den Kampf für die Anliegen von Jungen und Männern unterstützt hat.

Sie waren ein wunderbares Publikum!

Hoffmann ab.

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