Mittwoch, Oktober 10, 2007

"Nazis von Eva Herman enttäuscht"

Neben dem Tadel für Johannes B. Kerner gibt es heute auch eine Reihe von Pressekommentaren, die den gestrigen Abend zu einer neuen Breitseite auf Eva Herman nutzten. Hier sind einige davon:

"Alles war nicht schlecht an Eva Herman"

"Nazis von Eva Herman enttäuscht"

"Eva und die Autobahnen"

In der Kommentarspalte des gestrigen Genderama-Eintrags zur Kerner-Sendung äußert ein Leser seinen Eindruck zu Eva Herman: "Diese Mütterverherrlichungstusse ist kaum zu ertragen. Ihr einziges Verdienst ist, daß sie der Regierungsfeministenkamarilla ein wenig Schwierigkeiten bereitet. Wir Männer indes hätten unter ihr nichts zu hoffen. Was soll hier also andauernd EH? Das Sommerloch ist doch wohl vorbei."

Nun mag man von Eva Herman halten, was man will, aber ich habe den Eindruck, dass eine Ausgrenzung, die bei einer Person stattfindet, sobald man diese Ausgrenzung durchgehen lässt, bei anderen Personen wiederholt wird. Um mal ein Beispiel aus dem eigenen Hause zu nehmen: Eines der Interviews, das ich mit einem überaus honorigen Männerrechtler für "Männerbeben" geführt habe, ist überschrieben mit "Der Individualismus ist der Untergang". Nun nehmen wir einmal spaßeshalber an, "Männerbeben" würde nicht von den Medien totgeschwiegen, sondern breit diskutiert. Dann dürfte man doch jetzt schon damit rechnen, dass beispielsweise eine Thea Dorn sich auf diese Kritik am "Individualismus" stürzt, wie ein Geier auf seine Beute.

Jetzt könnte man natürlich argumentieren: Wer Thea Dorn ernst nimmt, ist selbst dran schuld. Johannes B. Kerner aber benutzte genau den von dieser Person fabrizierten Stuss, um Herman gestern noch mal eins überzubraten. Der "Stern" fasst diese Szene hier noch einmal schön zusammen:

Mein Gott, Kerner! Er konfrontierte Herman mit zwei Zitaten, die die Schriftstellerin Thea Dorn in der "taz" verknüpft hatte. Zitat 1: "Die Forderung der heutigen Frauenemanzipation wurde im Namen eines schrankenlosen Individualismus erhoben." Zitat 2: "Das Hohe Lied des Individualismus hat längst seinen verführerischen Klang verloren". Urheber von Zitat 1 ist der NS-Chefideologe Alfred Rosenberg. Urheberin von Zitat 2 ist Eva Herman. Und was folgt daraus? Gar nichts. Jede Wette, dass Saddam Hussein einige Male in seinem Leben gesagt hat: "Ich muss aufs Klo." George W. Bush hat das sicher auch ein paar Mal gesagt. Also sind sie, folgt man Dorns Analogschlüssen, seelenverwandt. Kerner hätte wissen müssen, dass Analogschlüsse keine Beweisführung sind. Und dass die NS-Frauenideologie nur im Kontext verstanden werden kann: Die Nazis drehten das konservative Frauenbild ins Rassistische. Zweck und Ziel war die Aufzucht von "Herrenmenschen", und nur von diesen - alle anderen, die Kranken, Schwachen und Behinderte, fielen der Verfolgung anheim. Nur wer diese Zweck mitdenkt, sieht die Gewalt hinter einer isolierten Aussage wie jenem Rosenberg-Zitat. Aber: Hat sich Herman jemals rassistisch geäußert? Mir ist nichts bekannt.


Also alles klar? Leider nicht. Derselbe geistige Dünnschiss Thea Dorns wird nämlich ebenfalls heute auf den Seiten des FOCUS noch einmal so aufgegriffen, als sei er besonders entlarvend. Die Autorin richtet ihre Worte an Eva Herman direkt:

Unverstanden fühlen Sie sich. Falsch zitiert. Von den Medien, denen Sie bis zu Ihrem Rauswurf beim NDR im weitesten Sinn auch angehörten, geradezu verfolgt. "Gleichgeschaltete Presse" nannten Sie das. Dass dies ein Begriff der Nationalsozialisten ist, wollen Sie so genau gar nicht gewusst haben. Dass Ihre Äußerungen zur Familienpolitik das Mutterkreuz aufblitzen lassen, wollen Sie so nicht gelten lassen. Dass Sätze aus Ihrem Buch fast wortgleich denen gleichen, die Alfred Rosenberg, Chefideologie der Nazis, verbrochen hat: So nie gehört. Stattdessen berufen Sie sich auf Studien, die beweisen mögen, dass Krippenkinder zu geistigen Krüppelkindern mutieren. Was für ein schauerlicher Mixa!


Ob Alan Posener in der "Welt" oder der "FOCUS-Fernseh-Club": Die Wortpolizei ist wieder unter uns. Am besten ich mache erst einmal einen gründlichen Ableich zwischen "Männerbeben" und sämtlichen Schriften von Nazis, Leuten, die Nazis zugearbeitet haben, sowie Leuten, die irgendwann mal mit Nazis im Zusammenhang standen, bevor ich hierzulande auch nur einen einzigen feminismuskritischen Text veröffentliche. Für jeden anderen Journalisten gilt natürlich dasselbe. Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Dritten Reich geht es den neuen Wortpolizisten schon längst nicht mehr. Sondern darum, selbst durch absurdeste Wortklaubereien genügend Munition zu finden, um jeden, der gegen die feministische Parteilinie verstößt, sturmreif zu schießen.

Nachtrag, ein paar Stunden später: Das Schweizer Fernsehen läd Eva Herman für nächsten Freitag ein, und heute abend ist sie Thema bei "Kulturzeit", wo von einer "perfiden Inszenierung" Kerners die Rede ist.

Erneuter Nachtrag mit weiteren Beiträgen zum Thema: Die taz ist zumindest in diesem Artikel fast eher auf der Seite Eva Hermans als auf der J. B. Kerners. "Das Ganze hatte etwas Tribunalhaftes" befindet die Medienkritikerin Klaudia Wick. Hermans Verleger zeigt sich indessen entsetzt: "Das ist die größte Katastrophe, die ich in meinen 40 Jahren als Verleger erlebt habe." Die "Frankfurter Neue Presse" lässt Psychologen zu Wort kommen. "Kerner schmeißt Hitler raus" albert die Titanic. Telepolis entdeckt "Die neue Antifa". Und André Lichtschlag schreibt sich auf ef-online seinen Furor von der Seele.

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